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Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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der von dem Wahn getrieben wurde, sie alle wieder zurückzuschicken. Nach Rumänien, nach Bulgarien, wohin auch immer. Nur weg, weit weg.
    Als ich den ersten Wohnwagen betrat, hereingebeten von Emilian und seiner Frau Vera, war die Falle schon zugeschnappt. In meinem Kopf. Denn ich war sicher, dass es bei solchen Leuten – so gastfreundlich sie sein mögen – eher unordentlich zugeht, im besten Fall. Und wüst im Normalfall. Nein, hundert Mal nein, bei den Gorneanus sah es aus wie bei den deutschesten Kleinbürgern. Häkeltischdecke, darunter eine Plastiktischdecke, Bommel an den Vorhängen und eine Porzellanuhr – Modell Aufbäumendes Pferd  – über dem Glasschrank. Das Absurde: Ich hatte früher schon Kontakt mit dem »fahrenden Volk« gehabt: in Irland, in Spanien, in Polen. Und meistens war es so wie jetzt gewesen. Eher spießig als verkommen. Ich wusste also, dass es nicht so sein würde, und trotzdem: Ich war bereits (wieder) manipuliert, von einer Regierung, von einer gewissen Presse. Mir völlig unbewusst. Bis ich das kleine Treppchen hochstieg und als Schaf auftrat, das dachte, was alle Schafe denken: eben nichts. Oder eben das, was andere ihm zu denken kommandieren. Rassismus ist wie der Dreck unter den Fingernägeln: Man muss überhaupt nichts tun, er kommt von selbst. Ihn bekämpfen, den eigenen und den der anderen, das macht Arbeit, das fordert Geistesgegenwart.
    Von Bert Brecht stammt die kluge Behauptung: »Die Wahrheit ist immer konkret.« Das ist eine Zeile, die uns alle überfordert. Um wie vieles leichter wäre das Leben, wenn die Wahrheit nicht konkret wäre, sondern ein für alle Mal Gültigkeit hätte. So wie bei den Religionen, wo Denken verboten ist, weil jeweils einer vor Jahrhunderten, ja Jahrtausenden, die »Wahrheit« erfand. (Und ein anderer Religionsstifter, ein anderer Anstifter zum Aberglauben, eine ganz andere phantasierte. Und ein Dritter die seine, etc.) Und uns – das eher kleine Häuflein, das nicht glauben will, weil wir lieber zum Wissen konvertieren – ins ewige Feuer schickte. So menschenfreundlich verkünden es die Schafe.
    Welch gnädiges Schicksal widerfuhr da einem aufgeknöpften »negro« am Apfelbaum des Sheriffs. War das Genick gebrochen, hatte er Ruhe. Wir nicht: Wir anderen Schafe, die schwarzen, werden »verdammt«, auf immer. Was für ein himmlisch-höllischer Rassismus.
    Nur eine Wahrheit predigen – die Geschichte hat es blutig bewiesen – muss in Mord und Totschlag enden. Ihr Anspruch ist noch viel anmaßender als Sarkozys rhetorische Flammenwerfer, die uns einreden wollen, dass nur mit superechten Franzosen ein schönes Frankreich blüht. Wie eben, global geredet, eine schöne Welt nur dann floriert, wenn wir alle an denselben göttlichen Stuss glauben.
    Die Fratze des Rassismus hat tausend Masken. Jeder, der nicht aussieht wie die Mehrheit, nicht denkt wie sie, nicht spricht wie sie, nicht sexuell funktioniert wie sie, nicht buckelt wie sie, der muss – hätten die Unnachgiebigen nur die ganze Macht – eliminiert werden. Für sie alle, die weltweiten Dunkelbirnen, hat es Einstein auf den Punkt gebracht: »Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich noch nicht sicher.«
    Der Rassismus kann noch in einen weiteren Hinterhalt führen. Stichwort Lichterketten-MenschInnen. Jene mit den Engelsaugen, die heiter in alle Welt rufen: »Du bist schön, ich bin schön, wir alle sind schön!« Oder nach einem Love-your-Body- Workshop selig durch die Gassen hüpfen, verklärt trällernd: »Du bist Buddha, ich bin Buddha, wir alle sind Buddha!« Für sie gibt es kein Arg in der Welt. Fremdenhass ist ihnen fremd, über jedem Haupt eines Nicht-Weißen zünden sie einen Heiligenschein an. Für sie ist jeder Ausländer – am liebsten andersfarbige Ausländer – herzensrein, herrlich und makellos. Und stets das Opfertier.
    Gespräche mit diesem auserwählten Volk der penetrant Blinden und Tauben scheinen kaum möglich. Wie ihre Lieblingsfeinde, die Rassisten, haben sie sich dazu entschlossen, nicht die Wirklichkeit wahrzunehmen, sondern sie grundsätzlich zu retuschieren. Die einen mit Finsterschwarz, die anderen mit Rosa. Beiden Fronten ist das Wort »konkret« zu mühselig.
    Noch eine Anekdote. Seit der Veröffentlichung meines ersten Buches war mir ein Kritiker treu geblieben. Der mich nicht mehr losließ. Hatte er mich doch sogleich als »hochmütigen Reisenden« ausgemacht. Auslöser seiner

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