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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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gilt – gelinde gesagt – als ein bissel ewig gestrig. Aber auf eine heutige Weise, so in der Art, als würde der Nationalismus an die Börse gehen. Kärnten neigt zum Event und zur großen Geste. Beziehungsweise handelt es sich bei Kärnten um einen Planeten, der über eine gewaltige Anziehungskraft verfügt, die zu überwinden zu den edelsten Aufgaben gehört, die man sich denken kann.
    Die Salzburger halten sich für bessere Menschen, die glauben, daß sie auf Grund ihrer Verdienste in einem früheren Leben in diese schöne Landschaft hineingeboren wurden. — Das glauben auch die Zugereisten, die sich quasi postnatal in das Salzburger Privileg eingekauft haben.
    Oberösterreich ist das dunkelste Bundesland. Doch es ist eine schöne und aufregende Dunkelheit, die dort herrscht. Die Oberösterreicher scheinen sich einzig und allein für sich selbst zu interessieren, ohne aber arrogant zu wirken. Sie ruhen in sich. In ihrer freundlichen, erdigen Dunkelheit.
    Niederösterreich ist völlig uneindeutig. Mal Jäger, mal Hase, mal selbstbewußt, mal kleinlaut, mal kindisch, mal ernst, mal Wienerwald, mal Wiener Neustadt. Es verfügt über die häßlichsten Städte und die lieblichsten Täler, über die brutalsten Menschen und die sanftmütigsten. — Niederösterreich hatte lange Zeit keine eigene Landeshauptstadt, die niederösterreichische Landesregierung saß in Wien. Das war sicher schlimm. Als würde die Star-Wars-Prinzessin Leia auf dem Todesstern des feindlichen Imperators residieren müssen. Doch seit 1986 befindet sich die Regierung in St. Pölten. Das ist, als hätte die rebellische Leia jetzt ihren eigenen Todesstern.
    Wien ist Anfang und Ende des Strudels. Ein zweiköpfiger Wasserkopf, der die Pole des Guten und des Bösen bildet, und nur Gott weiß, welche Seite wofür steht. Dort, wo der Strudel endet, könnte er genausogut beginnen. Dort, wo man das Böse wittert, könnte auch sogleich das Gute erstrahlen. Nur eines ist sicher: Wien – diese Stadt, die sich selbst ein Bundesland ist – bildet jenen beidseitigen Verschluß, der den ganzen österreichischen Körper zusammenhält. Ob das den anderen paßt oder nicht, ob sie die knusprigen Strudelenden mögen oder nicht. — Wien ist ein Anschnitt, aber ein zentraler.
    Die restlichen beanspruchten Bundesländer, etwa Südtirol, Triest, Teile von Bayern, der Slowakei und Ungarn sowie sämtliche Kanalsysteme dieser Welt, durch die das Harry-Lime-Thema von Anton Karas zittert, sollen hier nicht weiter behandelt werden.

 
    Das Schöne  am Zugfahren ist unter anderem, daß man sich der Weite der Welt bewußt wird, während man beim Fliegen vor allem jene Weite realisiert, die zwischen einem Flughafen und der dazugehörigen Stadt liegt. Beinahe scheint es, als seien unsere Städte nur entstanden, um später einmal all die Flughäfen rechtfertigen zu können. Viele Menschen furchten den Weg zum Flughafen mehr als den Flug selbst. Dieser Zwischen-Raum ist unheimlich und unfallträchtig. Meist ist er zudem noch häßlich.
    Wenn wir hingegen mit dem Zug reisen, begreifen wir den Raum, durch den wir uns bewegen, als freundlich und einladend. Für einen kurzen Moment sind wir Gast in der jeweiligen Landschaft, ohne darum gleich Vertraulichkeiten auszutauschen. Die Landschaft kommt uns nicht zu nahe und wir der Landschaft nicht. Man winkt sich gewissermaßen zu. Und nicht umsonst stellt das Aus-dem-Waggon-Winken eine liebenswürdige Tradition dar, die zumindest von Kindern auch heutzutage noch praktiziert wird (während die gleichen Kinder schon sehr jung und unwissend sein müssen, um aus einem Flugzeug zu winken, ohne es ironisch zu meinen. Wer bitte sollte sie sehen? Ein Ballonfahrer? Ein Engel? Der Pilot eines vorbeifliegenden Kampfjets?).
    Würde es in der Bahn kein Bahnpersonal geben, wäre das Zugfahren richtig schön. Das Bahnpersonal jedoch ist eine Prüfung für jeden sensiblen Menschen. Und das österreichische Bahnpersonal auch für die Hartgesottenen unter uns. — Kommen Sie nicht auf die Idee, sich als Kunde fühlen zu wollen. Kommen Sie nicht auf die Idee, Sie könnten eine Erkundigung einholen, eine Frage stellen, was ja nur eins beweist: wie schlecht Sie sich auf diese Reise vorbereitet haben. Der Zugschaffner und die Zugschaffnerin sind eine Art Sheriff Und einem Sheriff sollte man nicht dumm kommen.
    Ich erhielt eine Einladung, in Saalfelden, am Ufer des Steinernen Meers gelegen, aus einem meiner Romane vorzulesen (wie man einen Eintopf

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