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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Strömen umwebt ihn die Spree. Als ich hier paddelte, begegnete ich nur zwei Mal einem Boot, und zwar immer demselben; ein Pärchen paddelte lachend auf dem Hin- und stumm und mückenzerstochen auf dem Rückweg an mir vorbei. Für die Spreewälder sind die Mücken kein Thema. Sie machen sich nur selten die Mühe, die Insekten vom Gesicht zu wischen. Genervten Touristen geben sie gern fachkundig Auskunft: Mücken sind im Grunde wie das Wetter. Es gibt Hochs und Tiefs. Herrscht ein Tief, sind die Mücken gerade geschlüpft. Aber auch wenn sie dann stechfreudig sind, zielt ja nur die Hälfte der Blutsauger auf den Menschen; die Männchen bevorzugen Pflanzensaft. Während eines Hochs gibt es ebenfalls Mücken. Da die Stechphase vorüber ist, summen sie dann allerdings nur. Nach Meinung der Spreewälder dauert ein Tief übrigens nie länger als zwei Wochen und ist immer gerade vorbei, wenn ein Tourist danach fragt.
    In der sonnigen Stille des Junimorgens war kein Laut zu hören, keine Mücke surrte, kein Wind ging. Der Strom trug mein Boot geräuschlos mit sich. Äste hingen ins Wasser hinab, Flechten – von der Strömung gestriegelt – leuchteten grün. Rechts und links vom Fließ zweigten Wasserläufe ins Sumpfland ab. Das Ufer war auf gleicher Höhe mit der Wasseroberfläche. Ich paddelte an Mooren entlang, in denen Sonnentau und rote Moosbeeren wachsen, erdig sumpfiger Geruch löste sich mit der Würze vom Sonnenlicht beschienener Kiefernnadeln ab, ich kam an Waldweiden mit Rindern und Schafen vorbei, an Schilfgürteln und Seerosenbuchten. Vor Luftwurzeln stand eine Libelle. Kormorane flogen über meinen Kopf. Sie kamen von den nahe gelegenen Fischteichen. Die Teiche wurden in den Achtzigerjahren angelegt. Die kleineren dienen der Satzfischproduktion; der Aufzucht von Jungfischen, bevor sie in einem der größeren Teiche ausgesetzt werden. Im Oktober werden die Teiche zur Abfischung geleert. Zander, Welse, Hechte und Karpfen, die Fische auf brandenburgischen Speisekarten, werden hier gezüchtet. Der erste Genießer ist allerdings der Kormoran. Diese Vögel verschlingen jährlich dreißig Tonnen Fisch. Der seltene Drosselrohrsänger lebt ebenfalls an den Teichen, hat aber weitaus weniger Hunger.
    Hinter der nächsten Biegung geriet ich an eine Schleuse. Der ganze Spreewald, so scheint es aus der Perspektive der Paddler, ist voller Schleusen; kleine handbetriebene Becken, die die ungleichen Fließhöhen überwindbar machen. Schleusen bedeuten Hindernisse. Sie kosten Zeit. Sie stellen eine echte Herausforderung dar. Denn wo gewöhnlich ein Knopfdruck genügt, um die Schleusung per Fernsteuerung anzufordern, schleust sich im Spreewald jeder Bootsführer selbst. Treffen ein Paddler und eine Schleuse zum ersten Mal aufeinander, dauert diese Begegnung länger. Denn zunächst muss der Sportler die Gebrauchsanweisung auf der weißen Tafel lesen. Für das Bedienen der meterlangen Eisenstangen zum Öffnen der Tore benötigt er Muskelkraft, die durch das Paddeln meist schon etwas nachgelassen hat. Und das Schlimmste: Die Frau sitzt lächelnd im Boot und sieht zu.
    Ich hatte Glück. An der Schleuse warteten Kinder. Die Langeweile des Sonntags war ihren Gesichtern anzusehen. Sie grinsten zu mir runter, als ich mich am Rand des Beckens festhielt. Sie hatten jetzt Spaß, es gab etwas zu tun. Fast spielerisch trieben sie gemeinsam die Eisenstange vor sich her und sahen zu, wie das Wasser hinter mir einschoss. So sieht Kindheit im Spreewald aus: Man hängt an einer der Schleusen ab, wartet auf Touristen und verdient sich ein Taschengeld. Das war zu DDR-Zeiten schon so, bevor diese Idee nach der Wende von jungen Arbeitslosen aufgegriffen wurde, und jetzt teilen sich die Kinder und die Arbeitslosen die Schleusen untereinander auf. In den Sommermonaten müssen sich die Paddler selten selber mühen.
    Schleusen und Kinder, Libellen und Mücken blieben hinter mir zurück. Auf einmal war ich wieder draußen. Vor mir Getreidefelder und Kiefern, die vertraute Eintönigkeit bis zum Horizont. Nur der Bockskleeschafskäse, der Meerrettich und das Geheimrezept in der Jackentasche erinnerten noch daran, dass ich soeben in einem Urwald gewesen war. Im Rezept geht es um getrocknete Gurkenschalen, die sich – in warmem Wasser eingeweicht – zur Heilung von Frostbeulen verwenden lassen.
    P. S.: Wer aus dem Spreewald wieder herausfindet, weiß übrigens auch, was das Topfschlagen mit dem Hahn zu tun hat. Dieses berühmte Spiel von

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