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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Ähnlich wie hier muss es in weiten Teilen Brandenburgs ausgesehen haben, ehe die Brüche und Lüche trockengelegt wurden: Nicht als großer Strom, sondern als beständig alles durchsickerndes Element bestimmte das Wasser das Leben. Es stieg in den Wiesen auf, benetzte die Hufe der Tiere, zog ins Holz der Häuser und ins Gemüt der Menschen, es gab mit seinen Hoch- und Niedrigwasserständen, mit seinem Erstarren und Aufbrechen, seinem Verschlicken und Aufklaren den Rhythmus des Lebens vor. Noch heute bestimmt das Wasser das Schuhwerk der Spreewälder: Holzpantinen und Gummistiefel.
    Burg liegt am südlichen Ende, dem wilderen Teil des Spreewalds. Der Ort ist »zersiedelt«. Zwischen dem hundertjährigen Hotelrestaurant »Bleske«, in dem es gute Spreewälder Hausmannskost gibt, bis zum Kauper Hafen durchziehen ihn Wassergräben, von denen selbst die schmalsten von Kähnen befahren werden. Die Flößer haben Mühe, um die Biegungen zu staken. Die Ufer sind bestückt mit Kahnfährhäfen, Cafés und Paddelbootverleihen. Kajaks liegen kieloben im Gras. Wer sich mit dem Paddelboot vom Kai abstößt, berührt bei etwas Schwung das Ufer gegenüber, so schmal sind die Betten der Fließe. An ihren Abzweigungen führen hölzerne Wegweiser durchs Labyrinth, vorbei an Blockbohlenhäusern, unter denen das Wasser bei Hochwasser hindurchschießen kann, an Blumenrabatten und Terrassen, weiter hinaus in die Feuchtwiesen, wo braune Kühe am Ufer grasen. Schauen die Tiere hinunter ins Boot, treibt ihr Atem den Paddlern direkt ins Gesicht.
    Die Fließe winden sich an Töpfereien und Gaststätten mit dem Flair alter Ausflugsrestaurants vorbei. Die Fassaden sind charmant verwittert, die Fenster entgingen der schall- und luftdichten Nachwendesanierung. Unter alten Eichenbäumen stehen eiserne Gartenstühle, die Aussicht geht aufs mückenschwirrende Wasser und den Hochwald, ein unbesiedelter, streng geschützter Streifen, in dem sich der Blick endlich weiten kann: hinein in eine durchsonnte Waldlandschaft, die Kronen der Erlen sehr weit oben.
    Weiter nördlich weiten sich die Fließe. Die Großkähne in Lübbenau fassen bis zu fünfzig Gäste. Auf dem Markt sind Trauben von Touristen. Unterm Zeltdach der Stände gibt es Gurken aus Holzfässern zu kaufen oder das neueste Erfolgsprodukt: eine einzelne Spreewalder Gurke in einer schlanken Blechdose. Die Dose ist cool in schwarz gehalten und trägt das Abbild einer neongrünen Frucht. Mit der Dosengurke will die geschützte Marke des Spreewalds in die globale Welt einziehen. Auf Flughäfen in Schönefeld oder Berlin-Tegel wird sie bereits im Duty-free angeboten.
    Ende der Neunzigerjahre kamen täglich bis zu dreitausend Busse in Lübbenau oder Lübben an. Mit Lautsprecherdurchsagen wurden die Leute zu ihren Kähnen gelotst. Diese flachen Einbäume oder »Dubowniks« wurden ursprünglich aus Eichenholz gefertigt und dienten dem Transport von Vieh oder Heu. Man benutzte sie als Gefährt, um die Kinder zur Schule zu bringen, um zum Einkaufen oder zum Arzt zu fahren. Bis vor Kurzem gab es noch eine Briefträgerin, die die Post mit dem Kahn ausfuhr. Für die Touristen wurden die Kähne mit Sitzbänken und Tischen ausgestattet.
    Der Nachwende-Ansturm auf den Spreewald hat sich mittlerweile gelegt. Aber noch immer sind die Lokale gut gefüllt. Auf drei- oder fünfstündigen Touren werden die Touristen durch die Fließe gestakt, vorbei an Anlegestellen, an denen Frauen in sorbischer Tracht Schmalzstullen und Schnäpse aus dem Bauchladen verkaufen (Kümmerling und Kleiner Feigling). Auf den Treppen, die vom Lübbenauer Marktplatz ins Wasser führen, machen Radwanderer Picknick. Vor Schloss und Orangerie blüht der Rhododendron, Paddler gleiten vorbei. Am Freilandmuseum von Lehde fotografieren sich Bustouristen gegenseitig im Kahn, bis der Flößer ungeduldig wird. Das Flößen ist die Hauptbeschäftigung vieler Spreewälder im Sommer. Nicht alle »Spreewald-Gondoliere« tragen die Tracht aus schwarzer Hose und offener Weste, unter der sich ein weißes Hemd bauscht. Manche lehnen sich auch in Jeans und Karohemd ins »Rudel«. Diese traditionelle, vier Meter lange Stange ist aus Eschenholz, das sich wegen seiner Stabilität und Biegsamkeit besonders gut zum Flößen eignet.
    Der Unterspreewald ist jünger als der Oberspreewald. Er beschließt das Biosphärenreservat im Norden. Seine »Hauptstadt« Schlepzig ist ein kleiner Ort mit Fachwerkhäusern und einer Ölmühle. Mit einem Netz aus Fließen und

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