Gebrauchsanweisung für Südengland
gerne hätte. Erst wollte sein Sohn Tristan in seine Fußspuren treten, doch nach Reisen durch China und Australien hat er sich nun für eine Karriere als Koch entschieden.
Dafür ist nun Peter gekommen. 26 Jahre jung, voller Energie und Pläne, und wie Chris am Rande von Mülldeponien groß geworden. Sein Vater betreibt einen Schrotthandel südlich von London. Jetzt aber lebt Peter mit seiner Schäferhündin Charly Charly in einem Wohnwagen mitten im Exmoor in der Nähe des Stausees Wimbleball Lake, sozusagen in the middle of nowhere.
Während er an der Theke von Chris’ Crackers (eine Art Glasvitrrine mit Büro- und Kassenfunktion) zwischen alten Plattenspielern, Kriegsorden und undefinierbaren Einzelteilen in einer feinen Porzellantasse Tee serviert, erzählt er von den Rehen, die man nicht weit von seinem Wohnwagen beobachten kann. Die Jagdrechte in diesem Revier gehören angeblich Paul McCartney, doch das nur am Rande.
Auch Peter hat sich mit Herz und Seele dem Trödel verschrieben. Mag ihm auch Chris’ Bildung fehlen, in punkto Charme, Cleverness und Enthusiasmus steht er ihm in nichts nach. Eine Schultafel am Ende des Grundstücks weist heute in weißer Kreide vorbeifahrende Autofahrer darauf hin, daß sie gerade den größten und besten Trödelladen des West Country passiert haben. Die Rechtschreibung ist etwas eigenwillig, und ob es wirklich der größte Trödelladen ist, sei dahingestellt. Aber eines ist gewiß: Chris’ Crackers ist auf seine Art einmalig.
Das gilt auch und besonders für die Menschen, die hier arbeiten, Chris, Peter und nicht zu vergessen Beech, ein langhaariges und langbärtiges Unikum ohne nennenswerte Zähne, dafür immer mit Wollmütze, dessen Alter irgendwo zwischen 30 und 50 liegen könnte.
Viel sagt Beech nicht, aber wenn er sich einmal für jemanden erwärmt hat, dann philosophiert er gerne lang und langsam über seinen Wochenablauf, vor allem seinen freien Tag, und seine Lebensgefährtin. Manchmal sitzt Beech so lange unbeweglich auf einem Stuhl zwischen Bergen von Schrott im Hof, daß man meinen könnte, er gehöre zum Inventar. Nur die langsam aufsteigenden Zigarettenwölkchen verraten ihn. Dabei hat er aber alles im Blick, inklusive der Kennzeichen der Autos suspekter Kunden, die er aufschreibt für den Fall, daß nachts ungewünschter Besuch kommen sollte.
Da sehen die Trödelläden an der Südküste doch anders aus. Sie sind vor allem in den feineren Seebädern sauber und aufgeräumt, die Inhaber haben mit Chris, Peter und Beech nicht viel gemeinsam. Insider raten Leuten, die auf der Suche nach einem noch gut erhaltenen, aber erschwinglichen Möbelstück sind, einen Besuch in diesen Seebädern, in denen ältere Menschen, die es sich leisten können, den Herbst ihres Lebens verbringen. Sidmouth ist zum Beispiel so ein Ort. Oft schwebt ein Hauch von Melancholie über diesen Seebädern, schließlich sind die Pensionäre letztendlich zum Sterben hierhergekommen. Es mag makaber klingen, aber dieser Tatsache ist es zu verdanken, daß die Trödel- und Antiquitätengeschäfte voll sind mit gediegenen Möbeln, geputztem Tafelsilber und gutem Geschirr.
Die Städtchen sind auch auf die Bedürfnisse der weniger betuchten Senioren eingestellt. Restaurants und Pubs propagieren auf großen Bannern ihr Angebot von OAP meals. OAP steht dabei für old age pensioner, Altersrentner, denen man günstige Seniorengerichte bietet.
Dank des gemäßigten Klimas der Südküste läßt sich auch der lange und dunkle englische Winter ertragen, der ansonsten für viele Senioren ein großes Problem darstellt: Die Häuser sind schlecht isoliert, Heizungen teuer und die Rente knapp. Da bleibt überraschend vielen alten Menschen nur die Wahl zwischen Wärme oder Essen.
Energieunternehmen sammeln unter ihren wohlhabenderen Kunden Geld und spenden auch selber, damit alte Menschen nicht frieren müssen. Auch die Gemeinden haben verschiedene Aktionen ins Leben gerufen, um die Isolierung der Häuser zu fördern und notleidenden Mitmenschen zu helfen.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo das Gesetz ziemlich genau vorschreibt, was mit den sterblichen Überresten eines Menschen zu passieren hat, läßt England den Hinterbliebenen eine größere Auswahl an Möglichkeiten. Es besteht zunächst die Wahl zwischen Erdbestattung und Einäscherung, die sich im protestantischen England großer Beliebtheit erfreut – über 70 Prozent sind Feuerbestattungen. Allerdings müssen in England
Urne und Sarg nicht
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