Gebrochen
Mutter, in den er unbarmherzig gedrückt wurde. Brutal und rücksichtslos war sein Vater. Suchte sein eigenes Vergnügen, während Leon litt.
Kaum hatte er von ihm abgelassen, sprang Leon auf und lief ins Badezimmer. Mit zitternden Händen drehte er das Wasser auf und stellte sich unter die Dusche. Immer wieder schrubbte er seinen Körper. Immer wieder spülte er die Seife ab. Doch das Gefühl benutzt worden zu sein, betrogen worden zu sein, missbraucht worden zu sein, ließ sich nicht abwaschen. Genauso wenig wie seine Tränen, die immer wieder seine Wangen benetzten. Irgendwann gab er es auf, schlich in sein Zimmer und rollte sich auf seinem Bett zusammen. Er versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, weinte sich in den Schlaf, obwohl es erst Nachmittag war. Sein Aufsatz lag unvollständig auf dem Tisch.
Ein Fehler, den er am nächsten Tag büßen musste. Schmerzhaft büßen musste. Sein Vater benutzte ihn erneut, nachdem er ihn mit dem Lederriemen geschlagen hatte. Erneut verbrachte Leon lange Zeit unter der Dusche, doch es half nichts. Innerlich war etwas in ihm zerbrochen, als sein Vater ihn diesmal vergewaltigt hatte. Er wusste nicht, was es war, doch es fühlte sich an, als wäre etwas tief in ihm gebrochen. Während er auf seinem Bett lag, zusammengerollt und schluchzend, wurde ihm bewusst was es war: Die Hoffnung.
Die Hoffnung, dass es aufhören würde. Die Hoffnung, dass es besser werden würde.
Doch das wollte er nicht zulassen. Es gab Gesetzte. Er musste sich nicht alles gefallen lassen. Neue Entschlossenheit keimte in ihm auf.
Am nächsten Tag ging er nach der Schule nicht nach Hause. Er ging auf den nächsten Polizeiposten. Mit einem mächtig mulmigen Gefühl im Bauch, trat er an einen der Beamten heran. Er musste sich immer wieder sagen, dass er das Richtige machte. Dass es falsch war, was seine Eltern ihm antaten. Bevor er ein Wort herausbringen konnte, blickte der zweite Beamte auf. Dessen Gesichtsausdruck behagte Leon gar nicht, doch da sagte dieser schon: „Ah, da haben wir den kleinen Ausreißer ja. Komm mal mit.“
Dabei hatte er ein falsches Lächeln aufgesetzt, das Leon eine Gänsehaut bescherte. Trotzdem folgte er ihm ins Nebenzimmer. Was hatte er schon für eine Wahl? Was hatte er hier schon zu befürchten?
Alles.
Das stellte Leon fest, kaum das der Beamte die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Er erklärte Leon hämisch, dass er ihn kannte. Dass er seinen Vater kannte. Schneller, als Leon reagieren konnte, hatte er ihn geschnappt und auf die Knie gezwungen. Mit einer Hand hielt er ihn fest, mit der zweiten nestelte er an seiner Hose. Leon wusste was kam. Jeglicher Widerstand zerbrach in ihm.
Wenn ihm nicht einmal die Polizei half, war er verloren. Er gab dem Druck an seinem Kopf nach, als der Beamte seinen Penis aus der Hose befreit hatte. Es hatte keinen Sinn, sich zu wehren. Er erledigte fast mechanisch, was verlangt wurde, während Tränen der Scham und der Erniedrigung über seine Wangen liefen.
Der Beamte richtete anschließend ungerührt seine Hose, während Leon wie ein Häufchen Elend auf dem Boden hockte. Dann wurde er auf die Beine und aus dem Raum gezogen. Während der Beamte ihm freundlich erklärte, dass alles nicht so schlimm sei und wieder ins Lot kommen würde, führte er ihn durch den ersten Raum. Seinem Kollegen erklärte er, dass er den „armen, verängstigten Jungen“ wieder zu seinen Eltern bringen würde. Dass der „Heißsporn“ eingesehen hatte, dass er falsch reagiert hatte, als er davon gelaufen war. Der Kollege nickte lächelnd und widmete sich wieder seinen Unterlagen. Während Leon zu einem Streifenwagen gebracht wurde, telefonierte der Beamte. Aus dem wenigen, was Leon mitbekam, schloss er, dass er seinen Vater angerufen hatte. Er verspannte sich noch mehr, als er es sonst immer tat, saß steif auf dem Beifahrersitz. Selbst seine Gedanken waren erstarrt, bis sie vor seinem Haus hielten. Sein Vater stand in der Tür. Panik breitete sich in Leon aus, als er dessen Gesichtsausdruck wahrnahm. Doch er wurde nur ins Wohnzimmer geschickt, während sein Vater mit dem Beamten im Vorraum sprach. Sie klangen, als wären sie alte Freunde, was Leon in keinster Weise beruhigte. Er verschwand im Wohnzimmer, setzte sich auf das Sofa. Die Muskeln zum Zerreißen gespannt, die Angst in allen Gliedern, wartete er auf seinen Vater. Denn der würde kommen, das war so sicher, wie das Amen im Gebet. Und tatsächlich dauerte es keine fünf Minuten, bis sich die Tür öffnete.
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