Gebrochen
keine Erholung brachten. Die Jahreszeiten wechselten, was er nur wahrnahm, weil er zu frieren begann, wann immer er das Haus verließ. Der Schulweg schien ihm dann endlos, wenn sich die Kälte durch seine viel zu dünne Jacke fraß. Er sagte nichts. Wollte nicht riskieren, erneut bestraft zu werden. Waren seine Tage so schon schlimm genug.
Er lebte in seiner persönlichen Hölle, aus der es keinen Ausweg gab. Keine Milderung. Keine Hoffnung.
Egal wie nett und vornehm seine Peiniger manchmal aussahen. Auch die Hoffnung, dass diese ihn besser behandelten, mit mehr Rücksicht, mit einem Hauch von Einfühlungsvermögen, hatte er aufgegeben.
Seine Hölle war trist und öde. Traurig und schmerzgeprägt. Und es gab kein Entkommen.
***
Leon wusste, dass es ein Fehler gewesen war, doch es war nicht einmal seine Schuld. Er war immer vorsichtig, immer auf der Hut. Schon lange bekam er keine Befreiung vom Turnunterricht mehr. Das würde zu viel Aufsehen erregen, sagte sein Vater. Leon sollte beim Umziehen einfach aufpassen, dass niemand seinen Rücken sah. Das hatte Leon auch immer gemacht. Seit er vor drei Jahren in die Oberstufe gekommen war. Doch heute hatte der Lehrer ihn überrascht. Leon wartete immer, dass alle Schüler aus der Umkleide gingen. Erst dann wagte er, das T-Shirt von seinem geschundenen Körper zu ziehen. Diesmal hatte er den Lehrer vergessen, der erst später aus dem Turnsaal gekommen war. Er hatte einen der zahlreichen, blauen Flecken gesehen. Sofort hatte er nachgefragt. Leon hatte etwas von einem Sturz gestammelt und schon am Gesichtsausdruck des Lehrers gesehen, dass er ihm nicht glaubte. Er hatte erklärt, dass er sich mit seinen Eltern in Verbindung setzen würde, um diese Aussage zu überprüfen. Leon hatte nicht darauf reagiert. Wozu auch?
Er wusste, dass die Strafe schon auf ihn warten würde, wenn er nach Hause kam. So war es auch, sein Vater erwartete ihn bereits, mit drei seiner Stammkunden. Leon schluckte schwer und sagte nichts. Wortlos trat er zu den vieren, schloss ergeben die Augen, solange es ihm gestattet war und ließ seine Strafe über sich ergehen.
Er war gefangen in seiner persönlichen Hölle.
Leon lag im Bett und konnte sich kaum bewegen. Jeder Muskel tat ihm weh, so hatte er das Gefühl. Sein Hintern schmerzte, wie schon lange nicht mehr. Noch immer hatte er das Gefühl, als ob ein Penis in ihm stecken würde. Es war schlimm gewesen diesmal.
Da ging die Zimmertür auf und ein Wimmern entfuhr ihm. Er konnte nicht mehr, er war am Ende. Doch sein Vater verkündete nur, dass er in zwei Tagen auf eine andere Schule gehen würde. Bis dahin hatte er zu Hause zu bleiben. In dem Moment war es nur eine Erleichterung. Eine Erleichterung, dass ihm weitere Schmerzen und Erniedrigungen für heute erspart blieben.
***************************************
Kapitel 1
Wenn ich ehrlich sein sollte, konnte ich meine Freunde nicht verstehen. Ok, ich musste zugeben, dass der Neue nicht gerade einen adretten Eindruck machte. Wobei das nicht ganz stimmte. Es war nur seine Kleidung, die alt und zerschlissen war. Und so richtig sauber schien sie auch nie zu sein. Daraus würde man schließen, dass der ganze Typ ungepflegt war. Doch das stimmte nicht. Das konnte man sogar auf den ersten Blick sehen. An seinen Haaren.
Ich hatte schon genug schmierige, ungepflegte Menschen gesehen. Die meisten hier an der Schule. Wobei auch das wieder übertrieben war. Doch woran man mangelnde Körperhygiene nun mal am schnellsten sah, waren die Haare. Waren die fettig und ungepflegt, fiel einem das sofort ins Auge. Und wenn man dann genauer hinsah, bemerkte man auch den Rest der ungepflegten Erscheinung. Die Haare von dem Neuen brauchten lediglich mal einen Schnitt. Sie sahen aus, als hätten sie seit Jahren keinen Friseurladen von innen gesehen. Allerdings waren sie immer gepflegt. Sie fielen in weichen Strähnen in sein Gesicht. In ein Gesicht, das verdammt sexy war, wenn ich das Mal erwähnen dürfte. Ich hatte ihn noch nicht oft aus der Nähe gesehen, denn er sonderte sich ständig ab. Was nicht verwunderte, wenn man so lauschte, was die anderen über ihn sagten. Ständig wurde er aufgezogen und gehänselt. Er reagierte darauf, indem er den Blick stets auf den Boden gerichtet ließ. Auch wenn er in den Pausen im Hof stand. Niemals blickte er in die Runde, niemals hob er den Kopf.
„Jetzt lasst ihn doch endlich mal in Ruhe“, sagte ich genervt in die Runde. Seit Tagen schon zerrissen sich alle aus meiner
Weitere Kostenlose Bücher