Gebrochene Schwingen
Flut von Erinnerungen zurückbrachte an unsere Jugendzeit, die so süß gewesen war, weil wir einander hatten.
Statt dessen saß er da und versuchte ruhig und kühl und verständnisvoll zu sein einem Mann gegenüber, der sich grausam und selbstsüchtig verhalten hatte. Oh, ich war so wütend. Mein Gesicht wurde so rot, daß sogar Logan Angst bekam.
Natürlich war mir klar, daß er eine Beziehung zu Tony aufgebaut hatte, die an Idealisierung grenzte. Tony hatte ihm das Gefühl gegeben, wichtig zu sein, reich und mächtig. Logan kannte Tonys Welt und seinen Geschäftssinn, und es war schwer für ihn, Tony plötzlich als schwachen, selbstsüchtigen kleinen Mann zu sehen. Ich wußte aber auch, daß ich Logan nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte, die ganze beängstigende und beschämende Wahrheit.
»Ich habe dir noch nicht alles erzählt«, sagte ich. »Und wenn ich es getan habe, werden wir sehen, ob du immer noch so verständnisvoll bist.«
»Da ist noch mehr?«
»Ja, da ist noch mehr…« Ich holte tief Luft. »Noch mehr Gründe für mich, Farthy zu verlassen. Letzte Nacht, nachdem Tony und ich uns gestritten hatten und ich ihm gesagt hatte, daß ich gehen würde, kam er in unser Schlafzimmer. Er war betrunken und halb nackt.«
»Was wollte er?« Logan war vor Erwartung ganz verkrampft.
»Was er wollte?« sagte ich langsam und bedächtig. »Er wollte mit mir schlafen. Ich mußte mich gegen ihn zur Wehr setzen und ihn ins Gesicht schlagen, um ihn wieder zu Sinnen zu bringen.«
Eine lange Weile sagte Logan nichts. Es war, als hätte er nicht gehört, was ich gesagt hatte. Dann lehnte er sich zurück wie ein müder, besiegter Mann, sein Kinn berührte beinahe seine Brust, und er schüttelte langsam den Kopf.
»O mein Gott, o mein Gott«, flüsterte er, »ich… ich hätte es… hätte es vermuten sollen.«
»Vermuten? Was meinst du damit? Wußtest du etwas und hast es mir nicht gesagt?«
»Es war nichts, was ich wußte, eher etwas, das ich fühlte.
Was sollte ich sagen? Gib acht vor deinem Großvater?«
»Logan«, sagte ich, und Tränen rannen mir über die Wangen,
»Tony ist mein… mein Vater.«
»Er ist was?«
»Mein Vater, Logan. Ich fand es vor ein paar Jahren heraus, und ich habe es dir nie erzählt, weil ich mich so geschämt habe.« Die Worte strömten aus mir heraus. Ich hatte ihm so viel zu erzählen, daß ich nicht mehr darüber nachdachte, ob er es verstand oder nicht. »Er hat meine Mutter vergewaltigt.
Darum ist er weggelaufen. Verstehst du jetzt? Darum haßte mich Pa so sehr. Er ist böse, Logan. Tony ist böse. Er versuchte, mit mir das gleiche zu machen.« Dann begann ich zu schluchzen, und meine Stimme versagte.
»O Heaven, arme Heaven«, sagte Logan und stand auf und umarmte mich. »Wie du gelitten hast.« Er hielt mich ganz nahe bei sich und küßte mir die Stirn wieder und wieder. »O
Heaven, es tut mir so leid. Jetzt tut es mir leid.« Er schüttelte den Kopf und sah wieder zu Boden.
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Daß es dir leid tut?«
Er sah mich scharf an. »Nein. Mir wird schlecht davon. Ich möchte in das nächste Flugzeug steigen und nach Farthy zurückfliegen. Ich möchte Tony klarmachen, was er ist und was er getan hat. Selbst wenn ich ihm dafür das Genick brechen muß«, fügte er hinzu, und seine Augen blitzten. Das war schon eher die Reaktion, die ich erwartet und gewollt hatte, selbst wenn ich nicht wollte, daß er seine Drohungen wahr machte. Wenigstens war ich mir jetzt sicher, daß ich Logan mehr bedeutete als seine neuen Geschäftsrisiken, sein neuer Reichtum und seine Macht.
»Nein«, sagte ich. »Ich will nicht, daß du das tust. Es ist jetzt nicht notwendig. Ich verließ ihn als einen gebrochenen, kranken Mann, umgeben von seiner Schuld und seinen traurigen Erinnerungen. Wir schneiden ihn von unserem Leben ab. Er wird genau das sein, was er ist… ein Geschäftspartner und nichts anderes. Weder werde ich jemals mehr daran denken, daß er mein Vater ist, noch du daran, daß er dein Schwiegervater ist. Ich wende mich ab von diesem Teil meines Lebens, schließe den Vorhang nach dem Drama.«
Logan hielt mich noch immer fest, streichelte mein Haar und sah mir zärtlich in die Augen. »Logan, wir können unser Leben hier aufbauen, weit weg von Farthy und der Vergangenheit.
Vergiß die Fabrik, vergiß alles, was irgend etwas mit Tony Tatterton zu tun hat! Wir können die Stonewall-Arzneimittelfirma zu einem riesigen Imperium machen, wir ganz
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