Gebrochene Schwingen
Taverne. Sie wollten mir einen Mondschein-Punsch mixen, der – so versprach mir einer der Älteren – »sogar das Holzspielzeug zum Tanzen bringen würde«. Stattfinden sollte die Party auf dem großen Rasen vor der Fabrik. Ich rief die Floristin an und erklärte ihr, daß wir nur Sträuße wollten aus wilden Blumen, die in der Gegend wuchsen. Jeden Abend redeten Logan und ich bis in die späte Nacht hinein über die Fabrik, die Angestellten und die Festvorbereitungen. Ab und zu sprang ich dann aus dem Bett, um etwas aufzuschreiben, das wir vergessen hatten. Wir waren wie zwei Kinder, die ihre erste Party planten.
Das Fest fand an einem wundervollen Herbsttag statt. Keine Wolke war am Himmel, und es regte sich kaum ein Lüftchen.
Ich hatte mir von der Näherin ein traditionelles Ginghamkleid bestellt, vollständig mit Spitzen und Mieder. Ich brauchte eine Spezialanfertigung, um es meinem wachsenden Bauch anzupassen. Ich trug mein schwarzes Haar in Zöpfen, in die Bänder geflochten waren, auf die gleiche Art wie damals, als ich noch ein Kind der Willies war. An diesem Tag würden die Willies gefeiert werden. An diesem Tag würden die Leute aus den Bergen die wichtigen Leute sein. Meine Schwangerschaft wurde langsam sichtbar. Wenn ich in den Spiegel blickte, kam es mir so vor, als sei sogar mein Gesicht voller geworden. Ich erinnerte mich daran, wie aufgedunsen Sara, Vaters zweite Frau, ausgesehen hatte, als sie schwanger war. Jeden Tag schien sich ihr Körper, und vor allem ihr Gesicht, ein wenig mehr aufzublähen. Ich hatte die lustige Idee, daß sich das Kind in ihr mit Luft füllte und sie aufpumpte, wie einen Fahrradreifen. Ich erinnere mich, wie Tom lachte, als ich ihm das erzählte.
Ich legte ein wenig Rouge und Lippenstift auf.
»Wie sehe ich aus?« fragte ich Logan. Logan hatte beschlossen, einen konservativen Geschäftsanzug zu tragen, band sich aber eine ländliche Knotenkrawatte um. Er hörte mit dem Binden der Krawatte auf und lächelte.
»Du siehst schöner aus als je zuvor. Das Kind in dir bringt dich zum Erblühen wie eine wunderschöne Rose.«
»O Logan. Du wärst ein prima Verkäufer«, sagte ich, um ihn zu ärgern.
Er sah gekränkt aus. »Ich lüge dich nicht an, Heaven. Ich werde dich nie wieder anlügen. Du bist schön.« Er kam durch das Zimmer auf mich zu, um mich zu küssen. Er hielt mich fest, und ich fühlte mich in seinen Armen wohl und sicher. »O
Heaven«, sagte er, »erinnerst du dich daran, wie Tony uns zu unserer Hochzeit einen Rolls-Royce schenkte und ich sagte, daß ich so glücklich wäre wie nie zuvor? Also ich bin jetzt noch glücklicher.«
»Wir haben kein Farthy, kein Schloß und kein Heer von Dienern, und wir haben nichts mit den Blaublütigen zu tun.
Aber wir haben dieses wundervolle Zuhause und die Möglichkeit, auf unsere eigenen Energien und Vorstellungen zu bauen; ich glaube, das macht uns reicher als je zuvor.«
»Besonders«, sagte er und hielt mich auf Armlänge von sich weg, »weil wir einander haben und den Segen eines Kindes erwarten. Wir wollen all das Unglück hinter uns lassen! Nichts als Gutes liegt vor uns.«
»O Logan. Ich hoffe, du hast recht«, sagte ich, beinahe zu Tränen gerührt durch den Ausdruck von Glück und Zufriedenheit auf seinem Gesicht. Wir küßten uns wieder und wurden dabei von Drake unterbrochen, der zur Türe hereinkam.
»Ich bin fertig«, sagte er. Ich hatte ihn im Badezimmer gelassen, denn er sollte sich sein Haar selbst bürsten. Jetzt stand er auf der Schwelle und sah zu uns herein. Er trug ein Paar hellgraue Hosen, ein dunkelgraues Hemd mit einer dunkelblauen Krawatte und eine dunkelblaue Jacke. Ich hatte noch nie einen kleinen Jungen seines Alters erlebt, der so stolz auf seine Kleidung und sein Aussehen war.
Drake hatte sein Haar hübsch zurückgebürstet und vorne eine kleine Welle hineingedreht.
»Und wer sind Sie?« fragte Logan. »Wer ist dieser gutaussehende Gentleman, Heaven?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Vor einer Weile gab es da noch einen kleinen Schuljungen, der sich auf dem Spielplatz schmutzig gemacht hatte. Ich glaube, er hatte Sand in den Haaren, und kleine Büschel Gras wuchsen in seinen Ohren.
Könnte das der gleiche Junge sein?« Ich lächelte, aber Drake, dieses ernste und nachdenkliche Kind, kniff ärgerlich die Augen zusammen.
»Ich bin Drake«, sagte er. Ich konnte sehen, wie sich Ärger in seinen Mundwinkeln breitmachte.
»Natürlich bist du das, Liebling«, sagte ich. »Logan und ich
Weitere Kostenlose Bücher