Gebrochene Schwingen
Meine Empfehlung an Mr. Tatterton«, sagte er.
Ich dankte ihm noch einmal. Kurze Zeit später rief Logan an, er war zu dem gleichen Schluß über die rechtliche Lage gekommen: Fanny hatte ein Recht auf das Kind, und es würde zu einer Sorgerechtsanhörung kommen. Er wollte, daß ich mir seinen Anwalt nehme.
»Ich habe mich um alles gekümmert, Logan«, sagte ich. »Ich habe mit Mr. Steine gesprochen, und er wird mir einen Anwalt vermitteln, der Spezialist für solche Angelegenheiten ist.«
»Oh, wenn du meinst, daß wir das tun sollen…«
»Ich sage dir Bescheid, sobald ich mit ihm gesprochen habe«, sagte ich. Ich wußte, daß Logan die Dinge in die Hand nehmen wollte, daß er wahrscheinlich dachte, das sei die Angelegenheit des Mannes. Aber die einzige Möglichkeit, die mich davon zurückhielt, den ganzen Tag herumzusitzen und zu weinen, war, daß ich mich mit allem beschäftigte, was getan wurde, um Drake zurückzubringen.
Nach kurzer Zeit rief Camden Lakewood an. Ich verschwendete keine Zeit mit ihm am Telefon.
»Mr. Steine hat Sie sehr empfohlen, Mr. Lakewood«, sagte ich. »Die Kosten sind kein Problem. Wie schnell können Sie hierherkommen?«
»Mrs. Stonewall«, sagte er mit einem leichten Harvard-Akzent. »Ich habe gerade erst mit Mr. Steine gesprochen, und er hat mich über Ihre Familie und das Problem unterrichtet. Ich werde in weniger als zwei Stunden dasein«, erklärte er.
Das erste Mal, seit ich nach Farthy gegangen war, um den Reichtum und die Macht meiner Familie mütterlicherseits zu beanspruchen, wußte ich zu schätzen, was ich getan hatte. Es förderte mein Selbstvertrauen und stärkte meine Entschlossenheit. Die Worte, die ich Fanny ins Gesicht geschleudert hatte, würden wahr werden, dachte ich. Nichts von den selbstsüchtigen Dingen, die sie in unserer Kindheit getan hatte, und nichts von dem, was sie seither getan hatte, nicht einmal, daß sie Logan verführt hatte, hatte mich je so gegen sie aufgebracht wie die Tatsache, daß sie Drake entführt hatte und ihn jetzt gegen mich aufhetzte. Irgendwie hatte sie es immer fertiggebracht, daß mein Ärger auf sie abkühlte und meine Sympathie für sie wieder wuchs. Diesesmal würde das nicht geschehen. Zum ersten Mal wollte ich ihr auch weh tun.
Ich wollte Rache, Willies-Rache.
Ich wollte es so sehr, daß der Wunsch mein Blut zum Wallen brachte. Ich blickte in den Spiegel und sah, wie rot meine Wangen geworden waren. Wut und Schmerz, Haß und Verzweiflung waren die Zutaten, die ich in meinem Kopf mischte, als ob ich einen Hexentrank zusammenbraute. Ich konnte das Gebräu fast schon auf meinen Lippen schmecken.
Ich schluckte, um mich auf die Prüfung, die kommen würde, vorzubereiten.
Wie Logan es vorausgesagt hatte, verbreitete sich die Neuigkeit von der Sorgerechtsanhörung schnell in Winnerow und Umgebung. Wegen der Fabrik und des Aufwands, den wir bei der Eröffnung betrieben hatten, war alles, was wir taten oder was uns betraf, in den Schlagzeilen. Ich blieb im Hasbrouck-Haus zurückgezogen und erwachte nur zum Leben, wenn Camden Lakewood kam, um mit uns die Anhörung vorzubereiten. Er brachte eine Sekretärin mit, die Notizen machte. Wir saßen in Logans Büro, und ich listete all die Dinge auf, von denen ich dachte, daß sie gegen Fanny verwendet werden könnten. Eine Liste von Zeugen wurde aufgestellt, und ein Agent wurde ausgeschickt, um Beweise zu sammeln.
Wie J. Arthur Steine sah auch Camden Lakewood erfolgreich aus. Er war ein großer Mann in den Fünfzigern, mit scharfen, klaren blauen Augen, die sich so intensiv auf die Person richteten, mit der er sprach, daß man beinahe sein Hirn dahinter arbeiten sah – überprüfend, Daten und Fakten abwägend, Schlüsse ziehend.
Er war das, was Werbeleute eine vornehme Erscheinung nennen, ein Mann, wie er in Zeitschriften zu sehen war, in denen teure Autos oder Kleidungsstücke angeboten wurden. Es lag Kraft in seiner Haltung, und ein Flair von Autorität war um ihn. Ich war sehr zufrieden, daß mein Fall in seinen Händen lag.
Obwohl einige von den Dingen, die ich ihm erzählte, häßlich oder unangenehm waren, zeigte er nie Ekel. Es war, als ob er alles zuvor schon gehört hätte. Seine Haltung half mir, mich zu entspannen. Bald konnte ich ihm auch die härteren Sachen erzählen.
»Fanny ist schwanger«, sagte ich. »Und es ist ziemlich sicher, daß mein Ehemann der Vater des Kindes ist.« Als ich die Worte gesagt hatte, saß ein dicker Kloß in meinem Hals, und Tränen kamen
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