Gebrochene Schwingen
packte die Sachen zusammen, die ich mit nach Farthy nehmen wollte. Logan fuhr zum Haus seiner Eltern und holte seine Sachen. Auf ihren Wunsch hin aßen wir bei ihnen und verbrachten auch die Nacht dort. Am nächsten Morgen brachen wir nach Farthy auf, beide mit dem Gefühl, sehr erfolgreich gewesen zu sein. Nur Fannys liederliches Auftreten warf einen Schatten auf unseren Ausflug. Aber ich hoffte, die Erinnerung daran würde verblassen, so daß ich sie zusammen mit anderen in die Schublade mit den schmerzlichen und unglücklichen Ereignissen stecken konnte.
Da soll sie bleiben, dachte ich, und Staub ansetzen.
Tony wartete schon auf uns in Farthy. Er ließ die Bediensteten das Auto ausräumen, und zu dritt gingen wir in sein Büro, um über unsere Ergebnisse und die nächsten Schritte zu sprechen.
»Logan und ich fliegen übermorgen mit dem Architekten nach Winnerow«, sagte er, nachdem er die Einzelheiten gehört hatte. »In einer Woche oder so können wir uns dann die ersten Entwürfe anschauen. Ich kann mir vorstellen, daß schon viele Einheimische von unserem Projekt gehört haben.«
»O ja«, sagte Logan. »In kleinen Städten wie in Winnerow machen Nachrichten schnell die Runde. Meine Eltern haben viel dazu beigetragen.«
»Daraus schließe ich, daß sie sich gefreut haben, daß du ein Mitarbeiter der Tatterton-Spielzeugwerke wirst.«
»Sehr«, sagte Logan. Tony wandte sich zu mir mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Wie sollten Logans Eltern sich nicht freuen! Wo Tony doch Logan schon mit so viel Vertrauen überschüttet hatte.
»Das hast du gut gemacht, Logan. Sehr gut. Ich glaube, du wirst ein prima Mitarbeiter«, sagte Tony. Logan war außer sich vor Freude. Er lehnte sich zurück und hielt auf arrogante Weise den Kopf hoch. »Morgen nehme ich dich mit nach Boston zu meinem Schneider. Wir lassen dir ein paar anständige Anzüge machen. Ein Mann, der Verantwortung trägt, muß auch dementsprechend aussehen.«
»Das ist nett von dir, danke«, sagte Logan und sah mich Zustimmung heischend an. Ich war mir nicht sicher, ob ich Gefallen an dem haben sollte, was Tony da tat. Er machte Logan in gewisser Weise zu seinem Abklatsch. Und Logan, der von Tony, und inzwischen auch von sich selbst, geblendet war, zerfloß wie Wachs in seinen Händen.
»Wie geht es Jillian?« fragte ich mit der Absicht, das Thema zu wechseln.
»Unverändert«, sagte Tony schnell. »Ich schaue mal bei ihr vorbei. Ihr zwei habt sicher noch mehr zu besprechen.«
»Ich gehe nach oben und ruhe mich aus.«
»Geht es dir auch gut, Heaven?« fragte Logan. Er hörte am Tonfall meiner Stimme, daß ich unzufrieden war.
»Ja, Logan. Ich bin nur müde von der Fahrt. Mach dir keine Sorgen!«
Ich ließ ihn bei Tony und ging nach oben, zuerst zu dem Zimmer von Jillian. An diesem Tag war Martha Goodman nicht stark wie ein Fels in der Brandung, so wie sonst. Ich merkte sofort, daß sie besorgt und erregt war.
»Ich bin so froh, daß Sie wieder da sind, Mrs. Stonewall«, sagte sie hastig und fast verschwörerisch.
»Was ist los, Martha?«
Martha schaute hinter sich, ob die Tür zu Jillians Zimmer geschlossen war und sie sicher sein konnte, daß Jillian nicht hörte, was sie mir sagen wollte. »Sie ist in den letzten Tagen sehr verstört, ganz anders als sonst.«
»Wie kommt das?« Ich zögerte, ehe ich die Tür zu Jillians Schlafzimmer öffnete.
»Nun, Sie wissen ja, sie lebt in der Vergangenheit, meint, sie wäre jung und schön. Sie redet mit Menschen, die schon lange tot sind, und bezieht sich auf Ereignisse, die schon lange vergangen sind.«
»Ja, und?«
»Das alles hat sie in den letzten Tagen nicht getan. Sie hat nicht einmal versucht, sich zu schminken.«
»Aber Tony… Mr. Tatterton hat mir gerade gesagt, sie hätte sich nicht verändert, seit wir nach Winnerow gefahren sind.«
»Seit Sie losgefahren sind, Mrs. Stonewall, ist er, fürchte ich, nicht einmal hier gewesen. Er war drei Tage verreist, und wenn er hier war, hat er viel gearbeitet.«
»Aber was macht sie denn die ganze Zeit, wenn sie nicht mehr so ist wie früher?«
»Es ist schlimmer… sie sagt, die Toten sind zurückgekommen.«
»Das kommt, weil sie denkt, ich wäre meine Mutter«, sagte ich und lächelte. »Das kommt durch meine Haarfarbe. Ich bin schon am Überlegen, ob ich wieder meine natürliche Farbe nehmen soll und – «
»Ja, Mrs. Stonewall«, unterbrach mich Martha. »Aber davor war sie immer in derselben Zeit. Sie nahm Sie als Ihre Mutter, und
Weitere Kostenlose Bücher