Gebrochene Schwingen
»Warum können wir nicht beides haben? Behalte die Hütte. Bleibe in Farthinggale. Ich komme zu dir, wann immer ich kann.
Niemand wird es je erfahren. Der Tunnel unserer Vorfahren ist ein Segen für uns, er wird uns für immer verbinden.«
»O Liebste«, sagte er. »Siehst du nicht, daß es dadurch für uns noch viel schwerer wird? Jedes Mal, wenn du mich verläßt und zu Logan gehst, jedes Mal, wenn wir ein Geräusch hören und erstarren, weil wir denken, jemand kommt zur Hütte, erleiden wir zusätzliche Qual. Und wie lange würde es dauern, bis Logan merkt, daß du dich in deinen Küssen zurückhältst?
Daß du dich zurückhältst für einen anderen Mann?
Ein Mann kann das fühlen, weißt du? Ganz egal, wieviel Arbeit er hat, wenn er nach Hause kommt und nach Liebe und Zärtlichkeit verlangt, wird er merken, daß dein Herz nicht offen ist. Und du, du wirst seine Anschuldigungen leugnen, wirst eine Rolle spielen wie eine Kriminelle oder eine Spionin.
Vielleicht läßt er dich dann von einer der Hausangestellten überwachen. Und wenn er sich bei Tony beschwert, weiß dieser ziemlich schnell, was vor sich geht.
Und wenn die Wahrheit ans Tageslicht gekommen ist, wie wirst du dich dann fühlen? Wie kannst du Logan dann noch in die Augen sehen? Nein, liebste Heaven! Es wäre alles nur noch schlimmer für uns, wenn wir uns heimlich durch den Tunnel schleichen müßten, wenn wir uns nur treffen könnten, wenn Logan fort ist, eine gestohlene Stunde hier, eine gestohlene Stunde da.
O meine Liebe, meine kostbare, schöne Liebe, und du willst etwas so Schmutziges, Gemeines, ja Häßliches tun?
Weißt du, was sogar passieren könnte? Es könnte sein, daß du es mir eines Tages vorwirfst«, sagte er. Dann strich er mit seiner Hand sanft über mein Gesicht. Bei seiner Berührung schloß ich die Augen.
»Wie kommt es, daß du so weise bist?« fragte ich ihn.
»Ich wäre es lieber nicht, glaube mir. Du weißt, daß das, was ich sage, richtig ist, nicht wahr? Du weißt auch, welchen Schmerz es mich kostet, auf dich zu verzichten?«
»Ja«, sagte ich, »ich weiß es, weil ich den gleichen Schmerz spüre.«
In der Dunkelheit blickten wir uns an. In unseren Augen spiegelte sich das Mondlicht. Wir waren wie zwei Sterne, die sich am nächtlichen Himmel Blinkzeichen gaben, so hell, so willig, sich zu berühren und zu verschmelzen, und doch so fern.
»Geh jetzt, Heaven«, flüsterte er traurig. Ich berührte seine Lippen mit meinen Fingerspitzen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Noch nicht«, sagte ich. »Wenn wir uns schon eine kostbare Nacht gestohlen haben, laß sie uns wenigstens bis zum Ende genießen. Bis wir die ersten Strahlen der Morgensonne sehen, möchte ich hier still neben dir liegen. Dann werde ich leise aufstehen und dein Bett für immer verlassen.«
Er sagte nichts. Er widersprach auch nicht. Er küßte meinen Hals und zog mich wieder zu sich heran. Hinterher schliefen wir Arm in Arm ein. Doch ich erwachte bei Tagesanbruch, so wie ich es versprochen hatte. Ich lag am Fenster und sah zu, wie das Morgenlicht allmählich den Schleier der Dunkelheit lüftete. Ich hatte gehofft, daß diese Nacht nie enden würde, doch nun war es Tag geworden. Die Realität beherrschte uns wieder, wie Troy es beschworen hatte. Dieses Mal gab es keinen Aufschub.
Mein Herz lag wie ein Stein in meiner Brust. Vorsichtig löste ich mich aus seiner Umarmung. Troy schlief tief und fest. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der von glücklichen Ferientagen träumt. Vielleicht sah er gerade ein neues Tatterton-Spielzeug vor sich. Vielleicht war es eine Spielzeugwelt, in der zwei Menschen wie wir ohne Widerstände ihre Liebe genießen konnten.
Leise schlüpfte ich aus dem Bett und zog mein Nachthemd und den Morgenmantel an. Ich ging in die Küche, um ein Streichholz für meine Kerze zu holen. Als ich mich zu Troy umdrehte, schlief er noch immer tief, die Augen fest geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Ich dachte kurz daran, ihn noch einmal zu küssen, aber ich hatte Angst, daß er dann aufwachen würde. Es war besser für uns beide, wenn ich einfach ging.
Vielleicht dachte er beim Aufwachen, daß alles nur ein Traum gewesen sei. Wenn ich wieder in meinem Zimmer war und in meinem Bett lag, vielleicht dachte auch ich dann, daß alles nur ein Traum gewesen sei.
Ich schloß die Tür hinter mir, stieg die Treppe hinunter in den Keller und machte mich auf den Weg durch den Tunnel. Es war alles ruhig. Die Stimmen, die mich in der Nacht
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