Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
eigenen Welt der Vorstellungen gelebt hatte, und den zärtlichen und liebevollen Bruder Tom, das Opfer eines grausamen Unfalls, der durch meine Sucht nach Liebe und Anerkennung geschehen war.
    Die Liebe war immer wie eine kleine weiße Wolke durch mein Leben gezogen. Ich versuchte, sie zu berühren, aber meine Hände griffen ins Leere, und sie zog fort, immer weiter, bis sie am Horizont verschwand. Nur Logan war beständig geblieben wie die Sonne. Nur Logan versprach, immer für mich dazusein. Und Troy… Bei dem Gedanken an ihn konnte ich nur weinen. Ich weinte für mich, für Troy und für Jillian.
    Ich weinte für Granny und Grandpa und Tom und für die Mutter, die ich nie gekannt hatte. Schließlich weinte ich nur noch für Jillian. Vielleicht hatte sie, als sie vor dem Spiegel saß und zum letzten Mal Make-up auflegte, die Wahrheit erkannt. Vielleicht hatte sie den Tod in einer dunklen Ecke ihres Zimmers stehen sehen, wie er geduldig wartete. Ich konnte mir vorstellen, wie sie mit ihm sprach, als sei er gekommen, um sie zu ihrer letzten großen Gala zu geleiten.
    Ich seufzte und wischte die Tränen aus meinen Augen. Dann stand ich auf und ging ins Badezimmer, um die Spuren meiner Trauer fortzuwaschen. Ich mußte stark sein für Tony, für Logan und für die Dienstboten. Ich hatte jetzt eine Verantwortung. Ich war nicht mehr das kleine Mädchen aus den Willies.
    Als ich hinunterkam, war der Doktor schon dagewesen, hatte Jillian untersucht und ihren Totenschein ausgestellt. Ein Krankenwagen hatte sie in das nahegelegene Krankenhaus gebracht, wo eine Autopsie durchgeführt werden sollte. Da es Selbstmord gewesen war, mußte auch die Polizei gerufen werden. Tony kniete sich in diese Dinge bereitwillig hinein, dankbar für die Ablenkung.
    Die Dienstboten waren natürlich traurig. Eine schwere, trauervolle Stimmung hing über dem großen Haus, obwohl es ein heller, sonniger Tag war. Curtis ließ die Vorhänge zugezogen. Jeder sprach nur leise und schaute den anderen mit einem bedrückten Ausdruck an. Martha Goodman blieb fast den ganzen Tag in ihrem Zimmer. Ich ging zweimal zu ihr. Sie wollte bis zur Beerdigung auf Farthy bleiben und dann gehen.
    Jillian hatte zwei Schwestern und einen Bruder, die noch lebten. Jana Jenkins, ihre Mutter, die ich kennengelernt hatte, als sie schon sechsundachtzig Jahre alt war, war nun schon recht hinfällig und lebte in einem Pflegeheim. Tony rief die Schwestern an, die zusammenlebten. Sie sagten, sie würden den Bruder benachrichtigen und zur Beerdigung kommen.
    Tony sagte mir, daß man aus dem Ton ihrer Stimmen erkennen konnte, daß sie mit einer Erbschaft rechneten.
    »Sie werden schrecklich enttäuscht sein«, sagte er. »Jillian fühlte sich ihnen nie sehr nahe. In Wahrheit verachtete sie sie.
    In ihrem Testament werden sie nicht bedacht. Aber du erbst etwas«, sagte er.
    »Bitte, ich möchte jetzt nicht darüber reden«, bat ich.
    »Aber wir müssen, Heaven. Sie hatte es kurz nach dem Vorfall mit Troy beschlossen, als sie ihm von Leigh und mir und davon, wer du wirklich bist, erzählt hatte. Ich mußte ihr versprechen, dir nichts davon zu erzählen. Sie wollte nicht, daß du denkst, sie wolle deine Liebe und Zuneigung kaufen.
    Nachdem sie dann so anders wurde, habe ich nicht mehr oft daran gedacht und es schließlich ganz vergessen.«
    »Anscheinend war sie um einiges komplizierter, als ich dachte«, sagte ich. Er nickte. »Wir scheinen alle hin- und hergerissen zu werden zwischen Liebe und Haß, in beide Richtungen, im Sturm unserer Gefühle. Es ist fast besser, wenn… wenn man…«
    »Wenn man so sein kann wie sie«, bot er an. »Gefangen in einer angenehmen Traumwelt.« Er schaute mich an. »Wie ähnlich du ihr siehst, wie damals, als sie jung und sehr, sehr schön war«, sagte er.
    Ich wußte nicht mehr, wann er mich zuletzt dermaßen intensiv angesehen hatte. Ich fühlte mich unwohl.
    »Was kann ich denn noch tun?« fragte ich schnell.
    »Was? Nichts. Nichts.« Das Telefon klingelte. »Es ist in Ordnung. Bald wird Logan hier sein«, sagte er und nahm den Hörer ab.
    Tony blieb fast den ganzen Tag in seinem Büro. Er mochte nichts essen, er trank nur etwas Tee. Als sich die Nachricht verbreitete, kamen Anrufe von seinen Geschäftspartnern und Freunden. Ich stellte fest, daß ich noch eine gute Stunde Zeit hatte, ehe Logan kam. Das gab mir die Gelegenheit, zu Troy zu gehen und ihm die schreckliche Nachricht zu bringen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Tony daran gedacht

Weitere Kostenlose Bücher