Gebrochene Versprechen
gewaltig, aber sie traute sich nicht, loszulassen und zur Trimmung zu greifen. Zuerst verschwand die Landebahn unter der Nase, dann hörte man das Quietschen von Gummi auf Beton, und Hannah machte im Pilotensitz einen Satz.
Ein Fuß rutschte fast vom Steuerruder, aber mit äußerster Willenskraft schaffte sie es, die Maschine auf der Landebahn zu halten.
»Gutes Mädchen!« Luthers Tonfall verriet Erleichterung und Begeisterung. »Die Bremsen befinden sich über den Steuerrudern. Du musst sie jetzt benutzen, aber sei vorsichtig. Achte drauf, dass du weiter gerade hereinkommst!«
Hannah trat auf die Bremsen, sofort wurde das Flugzeug langsamer. Dann kam das Ende der Landebahn in Sicht, war aber noch weit genug entfernt, dass sie entspannt blieb. Sie behielt den Fuß auf dem Pedal, bis die Maschine noch langsamer wurde und endlich stehen blieb.
Hannah gab einen langen, zittrigen Seufzer von sich. Tränen der Erleichterung strömten ihr über die Wangen. Sie schlug die Hände vors Gesicht. Gnädiger Herrgott, es war vorbei! Und sie noch am Leben!
Für eine ganze Weile genoss sie das Gefühl, einfach nur völlig reglos dazusitzen, während Schreie und Jubelrufe aus dem Funkgerät drangen.
Plötzlich kam das Flugzeug wieder in Bewegung. Sie stieg auf die Bremsen und griff nach dem Mikrofon. »Hilfe! Wie kann ich das Ding endgültig zum Stehen bringen?«
Ihre Frage wurde vom Kontrollturm aus mit brüllendem Gelächter beantwortet, was sie wütend werden ließ.
Schließlich war Luthers von Emotionen geschüttelte Stimme zu hören. »Entschuldige, Baby. Wir sind hier oben ein bisschen hysterisch. Schau dich mal ganz rechts neben der Schubkonsole nach zwei Mischreglern um. Die musst du ganz nach hinten ziehen.«
Kaum dass sie dies getan hatte, wurde das Geräusch der Turboprop eine Tonleiter tiefer.
Mit entsetzlich zitternden Fingern befolgte sie schließlich Luthers letzte Anweisungen und schaltete den Antrieb aus. Die Anzeigen der Instrumente sprangen um, und die Lämpchen an der Konsole erloschen. Hannah schluckte krampfhaft. Als der Adrenalinspiegel nach und nach absank, bemerkte sie, dass sie rasende Kopfschmerzen hatte und ihr ziemlich schlecht war.
Sie hatte fest damit gerechnet zu sterben und ihren regelmäßig wiederkehrenden Albtraum als unausweichliches Omen gewertet. Aber nachdem Luther ihr, bildlich gesprochen, die Hand gehalten hatte, war es ihr gelungen, die Maschine sicher zu landen und so ein anderes Ende herbeizuführen. Ohne ihn hätte sie dies niemals geschafft.
Plötzlich fiel ihr auf, dass Luther in seine letzten Instruktionen ein ziemlich folgenschweres Geständnis hatte einfließen lassen.
Ich liebe dich , hatte er gesagt.
Sie schloss die Augen und ließ die warmen und unendlich beruhigenden Worte auf sich wirken. Oh, Luther, ich liebe dich auch .
Sie war nicht imstande, sich dieser Wahrheit zu entziehen. Und sie konnte auch nicht umhin, so lange wie möglich in diesem Gefühl zu schwelgen.
Schließlich war sie auch nur ein Mensch. Und mehr als alles andere auf der Welt wollte sie jetzt Luthers Arme spüren, von ihm umarmt werden, um zu wissen, dass sie von nun an unter seinem Schutz stand und ein Zuhause gefunden hatte.
Sie löste sich vom Pilotensitz und eilte zum Ausgang, wobei sie angewidert über den sabbernden Piloten und ihren Onkel hinwegstieg, der zusammengekrümmt in einer Blutlache lag. Als sie bemerkte, dass er noch bei Bewusstsein war, blieb sie kurz stehen und beugte sich zu ihm herab.
»Du hast meine Mutter nie geliebt«, beschuldigte sie ihn mit bebender Stimme. »Wenn man liebt, geht es nicht darum, jemanden zu besitzen. Sondern in erster Linie um das Glück des anderen.«
Und damit löste sie die luftdichte Versiegelung des Ausstiegs, stieß die Tür auf und schob sie zur Seite weg.
Ohne daran zu denken, wie wackelig sie noch auf den Beinen war, sprang sie ein gutes Stück hinunter aufs Rollfeld. Prompt gaben ihre Knie nach, und sie kippte nach vorn, wobei sie sich Hände und Knie so schlimm aufschürfte, dass sie nicht mehr aufstehen konnte.
»Autsch, das hat wehgetan.« Sie setzte sich auf den Po und inspizierte ihre blutigen Handflächen. Ihr Schädel fühlte sich mittlerweile so an, als wäre er von einer Axt gespalten worden. Also wartete sie, anstatt aufzustehen, lieber im Schatten der Tragfläche auf die mit heulenden Sirenen näher kommende Ambulanz.
»Bequem so?«, fragte Luther und strich mit einer Hand über Hannahs nackten Arm. Sie saß im Nachthemd
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