Geburtstag in Florenz
tappen, das ist ja wohl sein derzeitiges Verhalten, diese skurrilen Geschichten, mit denen er auf sich aufmerksam machen will – ich nehme doch an, auf Signora Torrinis Bericht über den heutigen Vorfall ist Verlaß?«
»Ach, die liebe Eugenia!« Ohne an sein Versprechen zu denken, zündete Fusarri sich einen Zigarillo an, und im Nu kräuselten sich blaue Rauchwölkchen zur Decke. »Tja, also ich würde sagen, man kann darauf vertrauen, daß sie die Wahrheit und nichts als die Wahrheit spricht – bloß nicht unbedingt die ganze Wahrheit, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich weiß nicht so recht …« Der Capitano wunderte sich nicht mehr, daß Guarnaccia mit dem Staatsanwalt nicht zurechtkam. Er hatte ganz vergessen, wie schwer es war, Fusarri zu folgen.
»Was ich damit sagen will, ist, daß die gute Eugenia uns nicht belügen würde. Wenn sie sagt, daß es drüben in der Scheune einen heftigen Streit gab und daß sie ernstlich befürchtete, der Tochter könne das gleiche Schicksal drohen wie ihrer Mutter, dann hat sie das gewiß so erlebt. Und wenn sie behauptet, daß Forbes anschließend hier auftauchte und ihr die Villa Torrini abkaufen wollte und sie dabei durch seine herrische Arroganz zu Tode erschreckt hat, dann ist es bestimmt auch so gewesen. Ich gebe lediglich zu bedenken, daß sie alt ist und sehr mitgenommen und dadurch eventuell gewisse Details nicht mitbekommen oder zu erwähnen vergessen hat und daß wir dies berücksichtigen sollten.«
»Ach so, ja natürlich. Da wäre es wohl am besten, einer von uns würde morgen, wenn sie sich ein bißchen beruhigt hat, noch mal alles mit ihr durchgehen … Sie meinen nicht, daß ihr Sohn herkommen und fürs erste bei ihr bleiben sollte?«
»Giorgio? Hm … Wenn ich drauf bestehe, würde er kommen, aber nach dem ersten Anfall von Langeweile oder nach dem ersten Streit, je nachdem, was eher ansteht, wäre er wieder verschwunden. Nein, Giorgio lassen wir da lieber raus. Er ist ihr immer noch böse wegen des Priesters … Guarnaccia, fehlt Ihnen auch bestimmt nichts?«
»Ja, der Priester …« Aus seinen Träumereien aufgeschreckt, wiederholte der Maresciallo mechanisch die letzten Worte des Staatsanwalts, ganz so, wie der Lehrer es ihm in der Schule eingebleut hatte, denn da war er in Gedanken: in seiner alten Schule.
»Der Priester … ja, in der Nacht, als ich das erste Mal herkam, sprach sie davon, daß sie auch den Priester angerufen habe und daß Giorgio ihr deswegen böse sei. Aber es war kein Priester da, und deshalb hab ich nie ganz …«
»Na bitte, genau das meine ich!« Fusarri lächelte die beiden mit strahlenden Augen an. »Sie hat mit dem Priester telefoniert, das stimmt, bloß war das schon vor Monaten. Sie rief ihn an und beschwerte sich über sein verflixtes Glockengeläut, vor allem – und ich zitiere – um sechs Uhr früh, weil er sie damit wecken würde, obwohl sie doch oft erst nachts um drei einschlafe, da sie nämlich an Schlaflosigkeit leide. Sie erklärte ihm, seine Pfarrkinder hätten doch daheim einen Wecker, und wenn sie schon so töricht seien, zur Messe zu gehen, noch dazu um sechs Uhr morgens, dann sollten sie den verdammt noch mal stellen. Giorgio ist dann hingegangen, um sich für sie zu entschuldigen, was er sich freilich hätte sparen können, weil Eugenia sich am Telefon gar nicht vorgestellt, sondern bloß ihrem Ärger Luft gemacht und gleich wieder aufgehängt hatte. Das erstaunliche an der Geschichte ist, daß der unglückliche Priester, ein junger Mensch und von missionarischem Eifer durchdrungen, hernach bei ihr anrufen wollte, um sich seinerseits zu entschuldigen, natürlich in der Hoffnung, sie damit milde zu stimmen und zur Rückkehr in den Schoß der Kirche zu bewegen. Dem guten Mann blieb eine unerquickliche Unterredung allein dadurch erspart, daß Eugenia nur um ein Uhr mittags ans Telefon geht, wenn Giorgio sich meldet, um zu hören, ob er immer noch ein armer Märtyrer von Sohn ist oder endlich ein frisch verwaister Erbe. Kurzum, weil Giorgio ihr den Anruf beim Priester nicht verziehen hat, der immer noch ein Zankapfel ist zwischen den beiden, darum hat Eugenia diesen Vorfall mit ihrer Sorge um Celia Carter vermengt. Und vor solchen Verwechslungen müssen wir uns hüten.«
Die arme Signora Torrini hatte in der Tat schreckliche Angst ausgestanden, wenn auch nicht so sehr wegen des Streits gegenüber und weil sie gesehen hatte, wie Jenny völlig aufgelöst aus der Scheune gerannt kam, sondern vor allem
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