Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
ausgeräumt, weil sich nicht alle an die Schlafregel gehalten haben, dann wäre Winterruhe oder Winterschlaf für uns auch kein Gewinn. Es können übrigens gar nicht alle Bären Winterruhe halten. Selbst wenn sie wollten. Manche haben dazu einfach keine Zeit.
Große Pandas etwa, die beliebtesten Bären des Globus. Wenn sie sich paaren, gibt es Liveübertragungen im Fernsehen. Wenn sie Junge bekommen, werden sie von Paparazzi belagert. Selbst ihre Nachgeburten gelten als Crowd Pleaser. Warum sind Pandas so beliebt? Man weiß es nicht genau. Ein Teil der Beliebtheit von Pandabären liegt sicher an ihrer Fellfarbe, die durch ihr konsequentes Schwarz-Weiß einen gewissen Retrocharme versprüht. Vielleicht fühlen sich Menschen in ihrer Gegenwart auch unbewusst sicher, weil Pandas ein bisschen aussehen wie ein Zebrastreifen.
Ansonsten ist der Große Panda aber eine unglaubliche Fehlkonstruktion. Er ernährt sich hauptsächlich von Bambus. Kein Mensch weiß, warum. Schließlich ist er ein Bär und besitzt die Grundausstattung eines Raubtieres. Zum Vegetarier wurde er erst auf dem zweiten Bildungsweg. Als ehemaliges Raubtier kann er Bambus mit seinem Verdauungsapparat nur zu etwa 20 Prozent verwerten, deshalb muss er Unmengen davon verzehren und hat sonst für fast gar nichts Zeit. Bis zu 20 Kilo am Tag, 16 Stunden lang. Das meiste davon muss er nach der Wanderung durch den Verdauungstrakt natürlich wieder loswerden. Knapp 100-mal am Tag defäziert ein ausgewachsener Panda. Viermal in der Stunde mithin. Da können wir froh sein, dass sich uns Menschen der Hund als Kulturfolger angeschlossen hat und nicht der Panda. Man möchte nicht wissen, wie es sonst in unseren Städten aussähe. Die Beliebtheit des Pandas rührt unter Umständen gar nicht daher, dass er bestimmte Dinge macht, sondern dass er bestimmte Dinge nicht macht: nämlich uns 24/7 auf den Gehsteig scheißen. Bei dieser Agenda ist natürlich an Winterruhe nicht zu denken.
Der Wasserbär hingegen kann nicht nur den ganzen Winter schlafen, nicht nur das ganze Jahr, sondern ganze Jahrhunderte. Zudem zählen Wasserbären zu den widerstandsfähigsten Lebewesen ever. Sie sind Großmeister im Überleben. Wenn Sie meinen, im Aufwachraum nach der Mandeloperation war es nicht besonders gechillt, dann fragen Sie einmal einen Wasserbären, wie er sich fühlt, wenn er wieder zum Leben erweckt wird. Aber glauben Sie mir, Sie wollen trotzdem kein Wasserbär sein. Warum, erfahren Sie auf Seite 196. (Aber nicht gleich jetzt vorblättern, sonst versäumen Sie die Reisewarnung ins Reich des Hasen.)
Sie meinen, dass Sie als Hase besser dran wären? Hier hat der Volksmund, vor dem man sich in der Regel hüten soll, ausnahmsweise einmal recht: glauben heißt nicht wissen. Nur weil Hasen als eierlegendes Beiwerk zum Osterfest von den meisten Menschen nicht ernst genommen werden, würde ich sie an Ihrer Stelle nicht unterschätzen. Bloß weil Sie Ihr eigenes Kaninchen niedlich finden, heißt das nicht, dass nicht die dunkle Seite der Macht in ihm schlummert. Wie das? Aufgepasst! Hasen haben zwar grundsätzlich keine Street Credibility als Raufbolde, bei deren Anblick man sich bekreuzigt und lieber die Straßenseite wechselt. Aber sie können für Menschen lebensgefährlich sein, wenn man es drauf anlegt. Nicht so wie das Killer-Kaninchen in Monty Python and the Holy Grail , das ist übertrieben. Auch Kaninchen sind an die Gesetze der Schwerkraft gebunden. Aber Kaninchen können als Mordwaffe verwendet werden.
Wie machen sie das? Suchen sie sich ein Maschinengewehr, legen sich auf den Abzug und mähen im Sperrfeuer alles nieder, was ihnen zu nahe kommt? Nein. Kaninchen, die töten, machen sich im Sinne des Gesetzgebers nicht strafbar. Denn sie töten, indem sie verzehrt werden. Und da können sie nachweislich gar nichts mehr aus eigenem Antrieb machen. Allerdings nimmt sich das Kaninchen, anders als der weltberühmte Kugelfisch Fugu, Zeit zum Töten. Der Kugelfisch hat es diesbezüglich eilig, und wenn man die falschen Teile von ihm isst, nämlich Darm, Rogen, Leber und gegebenenfalls auch die Haut, bekommt man kein Freispiel gratis dazu, sondern das hochwirksame Gift Tetrodotoxin, das in der passenden Dosierung innerhalb weniger Minuten zu Atemlähmung führt. Das schaut sicher sehr eindrucksvoll aus, aber wenn man in ein japanisches Restaurant zum Fugu-Essen fünf Minuten zu spät kommt, etwa wegen unregelmäßiger Zugfolgen bei der U-Bahn, dann hat man das Beste vielleicht schon
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