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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Freizeitbeschäftigungen und dem überfrachteten Terminkalender, den Tennis-, Reit- und Ballettstunden. Seine Kinder wussten nicht, was freie Zeit war. Er war selbst schuld. Er hätte sich mehr einbringen und ihnen zeigen müssen, was Freizeit ist. Von Birdie, die seit ihrer Hochzeit nicht eine Minute innegehalten hatte, lernten sie das bestimmt nicht. Daddy, fährst du mit mir Kajak? Daddy, spielst du mit uns Verstecken? Daddy, schlägst du das Zelt auf? Manchmal glaubte er, dass sie nur deswegen so hektisch waren, weil sie Birdies kritischen Blick fürchteten. Ihre Mutter hätte ihnen sofort Faulheit vorgeworfen.
    Nach dem Sport hatte er sich mit seinem alten Freund Alan zum Essen getroffen. Er hörte jedoch kaum zu, während sein Freund von Verlusten am Aktienmarkt und seiner neuen Skiausrüstung erzählte und von seinem Sohn, der sein Medizinstudium absolviert und nichts Besseres im Sinn hatte, als sich bei »Ärzte ohne Grenzen« zu bewerben. Alan hatte einen Haufen Geld ausgegeben, nur damit sein Sohn »in die Scheiß-Dritte-Welt abhaut, um irgendwelche Eingeborenen zu heilen«.
    Joe musste an Emily denken. Sie war irgendwo da draußen, zusammen mit einem Junkie, der ihr Leben ruiniert hatte. Alles wäre anders gekommen, wenn Joe nur einmal im Leben das Richtige getan hätte. Aber er hatte immer nur seine Pflicht erfüllt. Er war nie seinem Herzen gefolgt, sondern immer nur den Regeln, die man für ihn festgelegt hatte. Ob Emily sich an die Insel und die gemeinsame Zeit dort erinnern konnte? Nein, unmöglich, sie war zu klein gewesen. Somit war sie auch nicht, wie so viele andere, dem Zauber von Heart Island verfallen. Im Grunde war Heart Island nur eine Insel mitten in einem See und besaß eine solche Macht nicht.
    Aus seinem Schlafzimmerfenster konnte Joe das Chrysler Building sehen. Er hatte das Gebäude im Art-déco-Stil immer geliebt, das an ein glamouröses, längst vergessenes New York erinnerte. Er verließ das Bett, stieg in seine Pantoffeln und schlurfte ans Fenster. Unter ihm rauschte dichter Verkehr über die Park Avenue, dabei war es erst kurz nach drei. Immer schon hatte ihn fasziniert, wie die Menschen hier auf engstem Raum zusammenlebten. Der unendliche Erfahrungsschatz des Lebens offenbarte sich in den Häusern und Straßen. Egal, wie spät es war, immer war irgendwer auf dem Weg irgendwohin. Hatten sie alle ein Ziel? Wussten sie, wie sinnlos das war?
    Er griff zum Hörer und wählte die Nummer der Insel. Das schnelle Besetztzeichen verriet ihm, dass die Verbindung zum Festland immer noch unterbrochen war. Draußen hupte es, das Geheul einer Polizeisirene drang zu ihm herauf. Joe stand reglos da, den Telefonhörer in der Hand, und starrte hinaus.

EINUNDDREISSIG
    I hre Mutter hatte ihr immer vorausgesagt, ihr Leben werde auf wenige bedeutsame Momente, auf einzelne Entscheidungen zusammenschrumpfen. Diese in Sekundenbruchteilen getroffenen Entscheidungen veränderten alles, was danach kam. Sie waren verwischte Momente, und die Folgen kristallisierten sich erst im Laufe der Zeit heraus. Als Emily der Leuchtpatrone nachblickte, die Himmel und Insel in ein unheimliches Orange tauchte, fragte sie sich, ob ihre Momente gezählt waren. Bestimmt war es so. Ihr blieb nichts übrig, als bis zum Schluss mitzuspielen.
    Brad verzog sich in den dunklen Wald wie ein verschrecktes Tier. Er hatte die Pistole gehabt, aber wo war sie, warum hatte er sie nicht benutzt? Sie versuchte sich zu erinnern, wie oft er im Blue Hen geschossen hatte. Vier, fünf Mal. Also steckten noch ein oder zwei Kugeln in der Waffe. Hatte er sie bereits verschossen? War ihm die Munition ausgegangen? Und wo steckte eigentlich Dean?
    Kate lag reglos am Boden. Emily spürte den kalten Regen, und ihr Hals schmerzte an den Stellen, wo Brad zugedrückt hatte. Sie hatte schon fast das Bewusstsein verloren, als Kate unvermittelt aufgetaucht war, Brad umgerissen und Emily befreit hatte. Warum hatte sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Emily zu retten?
    »Hände hoch.« Das war die Alte. Emily ließ die Signalpistole fallen und drehte sich um. Die alte Frau hielt einen Revolver in der Hand. Emily hob staunend die Hände. Sie wusste nichts zu sagen. Sie war zu erschöpft, zu verwundert.
    Birdie murmelte etwas und eilte an ihr vorbei. Emily hörte nicht zu, sie lauschte dem Rauschen der Baumwipfel und genoss den Regen auf ihrer Haut. Es war dunkel, die Insel hatte sich verändert. Dennoch erkannte Emily ihren Klang wieder, das Geräusch der

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