Gedenke deiner Taten
unberührten Natur.
Birdie kniete neben ihrer Tochter nieder, berührte ihren Hals, strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Katherine«, sagte sie, »sprich mit mir.«
Birdie hob den Kopf und warf Emily einen bitterbösen Blick zu. »Helfen Sie mir, sie ins Haus zu tragen«, keifte sie.
Die erboste Dame des Hauses hatte der Dienstmagd einen Befehl erteilt. Emily gehorchte. Sie funktionierte wie auf Autopilot. Wo blieb nur Dean? Er könnte sich nützlich machen. Mühsam hoben die Frauen Kate hoch und trugen sie ins Haus.
Aus der Platzwunde an Kates Kopf strömte Blut, das sich auf Birdies und Emilys Kleidung verteilte. Dicke Tropfen fielen zu Boden und bildeten eine verschmierte Spur auf Parkett und Teppich. Irgendjemand muss saubermachen, dachte Emily.
Kate stöhnte leise, ohne die Augen zu öffnen. Birdie rannte los und kam mit einem Erste-Hilfe-Koffer zurück. Sie wirkte ruhig und nicht wie eine Mutter, die ihr schwerverletztes Kind versorgt. Sie nahm Verbandwatte und Desinfektionsmittel aus dem Koffer.
»Katherine Elizabeth«, sagte sie, und plötzlich hörte Emily ihre Reue, ihre Angst heraus. »Mach die Augen auf.«
Aber Kate rührte sich nicht. Sie war so unglaublich blass. Emily behielt die Tür im Auge. Birdie hatte die Waffe neben Kate abgelegt. Emily könnte sie sich schnappen und Brad verfolgen, sie könnte Dean suchen. Aber sie ließ sich zurücksinken und von der Müdigkeit niederdrücken. Sie hätte sich so sehr gewünscht, das alte Haus vorzufinden, nicht dieses neue Gebäude, das nicht zu ihrer Erinnerung passte.
»Weißt du … wie schlimm sie sind, merkt man erst, wenn es zu spät ist«, sagte Lana.
Sie saßen, wo Birdie und Kate am Nachmittag gesessen hatten, zwischen ihnen stand dasselbe Teeservice. Aber das Zimmer war verändert; es war einer Mischung aus dem alten Haus, das Kate aus ihrer Kindheit und von Fotos kannte, und dem neuen, von ihrem Vater erbauten. Kate fühlte sich behaglich.
»Wenn man jung ist«, sagte Lana, »verwechselt man Liebe mit Leidenschaft.«
Lanas Schönheit war unbeschreiblich. Die klaren, dunklen Augen, die milchweiße Haut, die auch Birdie geerbt hatte. Der zarte Hals, die geraden Schultern, das glänzende Haar, die schlanken Finger verbanden sich zu einem Bild der unschuldigen Anmut. Kate war wie hypnotisiert.
»Ich weiß«, sagte Kate. »Ich dachte, ich liebe Sebastian. Das hätte mir niemand ausreden können.«
Lana berührte Kates Hand. Eine herzliche, liebevolle Geste, die Kate zutiefst bewegte.
»Zuerst denkt man, alles ist im Fluss«, fuhr Lana fort, »aber dann zieht einen die Strömung aufs offene Meer hinaus.«
»Ja«, sagte Kate, »genauso war es.«
Das Licht, das durch die Fenster hereinfiel, war so grell, dass Kate die Augen zukneifen musste. Es schien sich durch ihre Lider zu brennen. Auf einmal litt sie unter scheußlichen Kopfschmerzen, deren Pochen eine bedrohliche Lautstärke annahm. Auf einmal wurde Kate übel. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
»Ich wollte ihn freigeben«, sagte Lana, »aber er ließ nicht los.«
Kate konnte nicht mehr antworten, so heftig war der Schmerz.
»Er hat mich nicht unendlich geliebt, sondern wollte etwas von mir haben, das ihm niemand sonst geben konnte. Ich habe seine innere Leere gefüllt. Tut man so etwas aus Liebe?«
Ja, auch das hatte Kate mit Sebastian erlebt. Er hatte ihr alles abverlangt. Seine unersättliche Seele verlangte nach immer neuen Opfern wie ein zorniger Gott. Vielleicht hatte Lana mit Richard etwas Ähnliches durchgemacht? Kate schwieg.
»Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll«, sagte die Großmutter. »Auch ich habe etwas von ihm gewollt. Aber Jack und die Kinder waren mir wichtiger. Und dann eines Tages zwang Birdie mich zu einer Entscheidung, ohne es zu ahnen. Sie hatte ein Recht darauf.«
Warum erzählte Lana ihr das? Kate wusste es, denn sie hatte Lanas Tagebücher gelesen. Sie hatte sie verschlungen. Und sie verstand nur allzu gut. Denn auch sie war von ihrem Kind gezwungen worden, Sebastian zu verlassen; Chelsea würde nie erfahren, welche Rolle sie damals gespielt hatte. Chelsea war Sebastians Kind, aber Kate fühlte sich verpflichtet, sie vor seiner unerträglichen Unberechenbarkeit, seiner Sucht, seinen Wutausbrüchen zu schützen. Nur wahre Liebe kann einen Menschen vor der Illusion von Liebe retten. Das wusste Kate. Allein dieses Wissen hatte ihr erlaubt, mit Lana in Kontakt zu treten. Wenn sie Lanas Geschichte erzählte, war es, als erzählte sie
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