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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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er ihr schon zigmal gesagt hatte. Du hast gewusst, dass ich verheiratet bin. Ich habe dir immer gesagt, dass ich meine Familie nie verlassen werde. Ich habe immer gewusst, dass sie nicht von mir ist. Ich habe mich trotzdem um euch gekümmert. Jahrelang habe ich dir Geld geschickt.
    »Es tut mir leid«, sagte er stattdessen. Was hätte er auch sagen sollen? Er hörte sie am anderen Ende der Leitung weinen. Sie müsste es eigentlich besser wissen; auf Tränen reagierte er allergisch, sie machten ihn gefühlskalt.
    »Ich wollte dich nur informieren für den Fall, dass sie zu dir kommt. Dass sie dich anruft.«
    »Warum sollte sie?«, fragte er. »Sie wird sich nicht einmal an mich erinnern.«
    Ihr Schweigen sagte alles.
    »Sie trägt deinen Namen«, sagte Martha. »Ich habe es nie übers Herz gebracht, ihr die Wahrheit zu sagen.«
    Ganz langsam verdaute Joe diese Information. Am Haus donnerte ein Feuerwehrauto vorbei.
    »Dann hat sie mich also all diese Jahre für ihren Vater gehalten«, sagte er. »Und was hat sie noch gedacht? Dass ich sie verstoßen habe, sie nicht mehr wollte? Und ihr die Wahrheit zu sagen hast du nicht übers Herz gebracht?«
    »Du hast sie verstoßen, Joe.« Da war er wieder, der weinerliche, selbstgerechte Tonfall, den sie anschlug, sobald es eng wurde.
    »Du hast sie belogen und manipuliert – so wie mich.« Wie schnell die alten Narben aufgebrochen waren. Man bildet sich ein, man habe die alten Verletzungen und Enttäuschungen vergessen; aber sobald jemand an der Oberfläche kratzte, kamen sie wieder zum Vorschein und schmerzten schlimmer als zuvor.
    »Ich gebe dir Bescheid, falls sie mich anruft oder vor meiner Tür steht.«
    »Joe«, sagte sie flehend, »denkst du manchmal an mich?«
    »Martha«, sagte er, »denkst du manchmal an etwas anderes als an dich?«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Wieder und wieder. Martha rief noch ein zweites und ein drittes Mal an. Dann wurde es still. Joe fuhr zum Studio und trainierte eineinhalb Stunden mit seinem privaten Trainer. Dann bestiegen sie den Boxring.
    »Joe«, keuchte der junge, verschwitzte Trainer atemlos. Joe war vor Anstrengung übel geworden. »Ist Ihnen eine Laus über die Leber gelaufen?«
    Er hatte Martha und Emily zweimal auf die Insel mitgenommen. Birdie hatte ihm vorgeworfen, er wolle sie damit absichtlich treffen. Damals hatte er alles abgestritten. Er habe nur einen abgeschiedenen Ort gesucht, an dem sie ungestört waren. Was Unsinn war, denn mindestens der Hafenmeister hatte sie beobachtet. Joe hatte ihm ein großzügiges Trinkgeld gegeben; nicht genug, um den Mann vom Tratschen abzuhalten. Heart Island war ein geschichtsträchtiger Ort. Eine andere Affäre hatte dort einen tragischen Verlauf genommen.
    An die Zeit mit Martha dachte Joe öfter zurück, als er sich eingestehen wollte. Ohne Birdie und ihre starren Regeln war die Insel ein wunderschöner Ort, friedlich und freundlich. Im Beisein von Martie und seiner kleinen Em konnte er entspannen. Er konnte frei durchatmen und sich so beschwingt fühlen, wie es mit Birdie nie möglich gewesen wäre. Immerzu beurteilte sie ihn, bestimmte über seine Zeit, nahm ihn in die Pflicht, um ihren endlosen Katalog von Aufgaben und Unternehmungen abzuarbeiten. Martie störte sich nicht daran, dass das Geschirr in der Spüle stand und das Bett ungemacht blieb. Sie hatte nichts gegen Thunfischsandwiches, Flaschenbier und Ofenkartoffeln zum Abendessen.
    Er erinnerte sich an die goldenen Spätsommertage, an die warme Luft. Birdie war schon wieder in der Stadt, um sich auf einen Winter voller Wohltätigkeitsempfänge und Weihnachtsbälle vorzubereiten. Mit Freude dachte Joe an jene Zeit zurück. Auf Heart Island konnte er davon träumen, immer mit Martha und Emily zusammenzuleben, ein anderer Mann zu sein, mit einem anderen Leben, einer anderen Frau an seiner Seite. Birdie war voll und ganz mit sich beschäftigt und hätte nicht einmal sagen können, ob er gerade beim Golfen oder auf Geschäftsreise war. Sie verlangte nicht mehr von ihm, als an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit im Smoking bereitzustehen und sie zu einer öden Spendengala zugunsten von Afrika oder der AIDS -Forschung oder von Großstadtschulen zu begleiten. Und bis dahin verschwendete sie keinen Gedanken an ihn.
    Die kleine Em musste man nicht aufwändig unterhalten. Sie war zufrieden, wenn sie malen oder baden durfte, oder sie schlief auf der Picknickdecke ein. Anders als Theo und Kate mit ihren endlosen

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