Gedenke deiner Taten
aus, und beide Mädchen hielten sich daran, besonders, wenn sie zusammen waren. Für gewöhnlich ergänzten sie sich gut. Lulu spornte Chelsea an, mehr zu wagen, und Chelsea bewahrte Lulu vor größeren Fehltritten. Aber in letzter Zeit hatte Lulu Aktionen gestartet, die Chelsea nicht mehr gutheißen konnte. Chelsea dachte tatsächlich daran, ihre Mutter anzurufen. Immer schon hatte Kate sie ermuntert, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Wenn du nervös wirst, wenn du ein komisches Gefühl bekommst, will dein Instinkt dir etwas sagen. Dann musst du genau zuhören.
Sie schnappte sich ihr Handy. Lulu grinste breit. Aber eigentlich wollte Chelsea nicht gehen. Sie wollte Adam McKee kennenlernen. Und Lulu sollte ihn nicht zuerst treffen.
»Ich habe Hunger«, sagte sie. Sie steckte das Handy ein und sah Lulu fragend an. Lulu stand auf und umarmte Chelsea. Sie roch nach Erdbeeren und Zigaretten.
»Du hast mich sooo lieb«, sagte sie.
»Stimmt«, sagte Chelsea und drückte Lulu kurz.
Sie gingen zu den Restaurants. Genau genommen hatte sie alle zu einem Treffen mit ihr und Lulu im Einkaufszentrum eingeladen. Adam konnte nachlesen, wo sie gerade war, weil Lulu seine Anfrage angenommen hatte. Würde er sich für jemand anderen ausgeben? Und würde er tatsächlich auftauchen? Brighton war nicht weit entfernt, aber so nah war es nun auch wieder nicht.
»Keine Angst, Chaz.« Lulu hatte ihr diesen hässlichen Spitznamen verpasst. »Sobald wir einen Serienmörder entdecken, hauen wir ab.«
»Sehr lustig«, sagte Chelsea und brach in ein grunzendes Lachen aus, das sie und Lulu schon seit ihrer frühsten Kindheit pflegten. »Im Ernst. Ganz toll.«
Lulu nahm Chelseas Hand und hielt sie fest. Chelsea gegenüber war sie immer sehr kontaktfreudig, fast zärtlich. Chelsea mochte das. Lulu vermittelte ihr das Gefühl, der wichtigste Mensch auf Erden zu sein.
Vor dem Surfladen standen ein paar Jungen. Chelsea merkte, dass alle Lulu anstarrten. Lulu lief an ihnen vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Dean Freeman schaute dem Bus hinterher. Emily saß darin, er hatte sie wieder einmal enttäuscht. Als das schwarzen Dieselqualm ausstoßende Ungetüm davonrumpelte und sich in den Verkehr einfädelte, spürte Dean einen schmerzhaften Stich. Er wollte nicht, dass Emily Bus fuhr. Sie hatte etwas Besseres verdient. Er würde dafür sorgen, dass sie es bekam, früher oder später.
Er betrat das Restaurant. Carol saß an der Kasse. Sie hob den Kopf, als die Türglocke ging.
Ihr Blick gefiel ihm nicht. Sie tat gerade so, als hätte er etwas Schlimmes verbrochen oder als plane er es zumindest. So schauten nur Lehrer, Schuldirektoren, Bewährungshelfer und Cops. Als wüssten sie Bescheid, als könnten sie ihn und seine Lügen durchschauen. Als wüssten sie alles. Sein ganzes Leben lang musste Dean Freeman diese Blicke schon ertragen. Er sehnte sich nach dem Tag, an dem er allen bewies, wer er wirklich war und was in ihm steckte.
»Hallo Carol«, sagte er und setzte sein freundliches Gesicht auf, so wie bei Emilys Mutter, zukünftigen Arbeitgebern und Leuten, von denen er etwas wollte. »Ist Emily noch da?«
»Hallo Dean«, sagte Carol. Sie nahm ihre Brille ab, die an einer Perlenkette hing. Die Brille fiel auf das weiche Kissen ihres üppigen Dekolletés. Obwohl Dean sie steinalt fand, konnte er nicht anders, als hinzustarren.
»Sie hat vor über einer Stunde Schluss gemacht. Hat etwas gegessen und ist gegangen.«
»Ah«, sagte er und versuchte es mit einer enttäuschten Grimasse. »Ich wurde bei einem Bewerbungsgespräch festgehalten. Ich wollte sie abholen.«
Carol nickte langsam und musterte ihn von oben bis unten. War sie skeptisch? Woher nahm sie das Recht, ihm zu misstrauen (auch wenn er tatsächlich gelogen hatte)? Genau deshalb konnte er sie nicht leiden. Sie hielt sich für etwas Besseres, so wie alle Reichen.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte sie.
»Was?«
»Das Bewerbungsgespräch«, sagte sie und lächelte geduldig. Er wusste nie, ob man ihn ernst nahm.
»Äh, na ja, ganz gut«, sagte er. »Im Moment läuft das Geschäft schlecht, wegen der Wirtschaftskrise. Aber auf dem Bau werden immer Leute gebraucht, oder? Bestimmt finde ich bald etwas.«
»Tja, wenn ich von einer Stelle höre, werde ich es dir sagen.«
»Das wäre toll«, sagte er. »Danke. Übrigens, dürfte ich kurz die Toilette benutzen?«
Er lief durch den schmalen Gang zur Toilette. Auf dem Weg hinaus blickte er sich ein letztes Mal um. Durch die Hintertür
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