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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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plötzlich. Als ich das Bret gegenüber erwähnte, sagte er, schließlich hätte ich hier Kost und Logis gratis. Du lieber Himmel, sagte ich, und keine Entschädigung dafür, daß ich von meinen Kindern getrennt bin? Aus naheliegenden Gründen sprach ich nicht von Gloria. Bret war es, der Gloria zur

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    Sprache brachte. Er sagte, man habe ihr erklärt, ich sei in einer Mission unterwegs, die geheimgehalten werden müsse. Das Department wache darüber, daß meine Kinder glücklich und wohlversorgt seien. Er sagte das, als ob seine Worte eine nicht gerade versteckte Drohung gegen mich enthielten. Ich hatte das Gefühl, was man Gloria sagen würde, würde sehr von meinem guten Benehmen abhängen.
    Eines Tages bemerkte ich unter den Papieren auf Brets marmorner Tischplatte eine farbige Postkarte. Es war van Goghs Gemälde eines Briefträgers in seiner blauen Uniform, ein Bild, das Gloria ganz besonders liebte. »Könnte diese Postkarte wohl für mich sein?« fragte ich.
    »Nein«, sagte er wie aus der Pistole geschossen.
    »Bist du sicher?«
    »Das ist meine Privatkorrespondenz«, sagte Bret. Ich hatte nicht übel Lust, sie in Augenschein zu nehmen, aber der Tisch war groß, und Bret hatte die Karte in der Hand, ehe ich sie erreichen konnte. Er warf sie in eine Schublade. Ich wußte, es war eine Karte von Gloria an mich. Ich wußte es einfach.
    Danach hatte ich selten Zutritt zu Brets »Büro«, und wann immer ich dort war, war der Schreibtisch aufgeräumt und leer.
    Und die einzige Post, die man mir nach Kalifornien nachsandte, war ein Porträtfoto, das Paul Bocuse zeigte. Die Karte war in Lyon abgestempelt, Tante Lisl beschrieb mir eine Mahlzeit, die sie dort gegessen hatte.
    Sie hatten mich und Fiona in einem bequemen Gästehaus abseits der Hauptgebäude untergebracht. Wir hatten dort eine Küche und ein Speisezimmer und eine junge Mexikanerin, die uns das Frühstück zubereitete und den Hausputz machte. Fiona verbrachte fast täglich vier, manchmal fünf Stunden mit Bret.
    Sie unterbrachen diese Sitzungen nicht, um anständig zu Mittag zu essen, vielmehr ließen sie sich Sandwiches, Früchte und Kaffee hereinschicken und redeten weiter. Bret hatte eine Teilzeitsekretärin, aber diese war während der Sitzungen nicht

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    bei ihnen. Sein großes und sehr bequemes Büro mit Fenstergittern und Sicherheitsschlössern enthielt Landkarten und Nachschlagewerke und einen Computer, der ausdrucken oder auf seinem Bildschirm präsentieren würde, was immer man aus irgendeiner Datenbank rief. Was Fiona sagte, wurde auf Tonband aufgenommen und in einem großen Safe verschlossen. Schriftliche Protokolle gab es einstweilen nicht.
    Dafür würde später noch Zeit sein. Dies war der erste Durchgang, damit Bret London und Washington umgehend von allem Dringlichen in Kenntnis setzen konnte. Anfänglich saß ich manchmal bei ihnen und hörte zu, aber nach ein paar Tagen bat mich Fiona, diesen Sitzungen fernzubleiben. Sie fühlte sich in meiner Gegenwart gehemmt, sagte sie. Das verletzte und beleidigte mich zwar damals, aber für gewöhnlich fanden diese Verhöre unter vier Augen statt, und ich war nie begeistert, einen Beisitzer zu haben, wenn es an mir war, tiefenanalytische Schaustücke zu zeigen.
    So schwamm ich in dem blauen Swimmingpool unter freiem Himmel, las Bücher, für die man gewöhnlich keine Zeit hat, und hörte klassische Musik von KSCA-FM, dem Sender, der vierundzwanzig Stunden täglich klassische Musik sendet, oder von Kassetten über die große Hi-Fi-Anlage. An den meisten Tagen schwamm ich mit Mrs. O’Raffety, der künstlerisch begabten alten Dame, der das Anwesen gehörte und die wegen ihres Rückens schwimmen mußte. An den meisten Tagen aßen wir auch gemeinsam zu Mittag.
    Ich wäre gerne nach Los Angeles gefahren oder wenigstens auf ein Bier hinunter nach Santa Barbara, das ganz in der Nähe lag. Eine Strandwanderung, eine Autotour auf dem Pacific Coast Highway, eine Besichtigung des Hauses des Zeitungskönigs Hearst – alles, was versprochen hätte, meinen eintönigen Alltag aufzulockern, wäre mir recht gewesen. Aber Bret war unerbittlich. Wir beide hatten in La Buona Nova zu bleiben, umgeben von Maschendrahtzäunen, Hunden und

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    schwerbewaffneten mexikanischen Wächtern. Es war ein Gefängnis, ein nettes, bequemes Gefängnis, aber wir waren verurteilt, dort auszuharren, solange es dem Department gefiel.
    Ich hatte das ungemütliche Gefühl, daß wir die Freiheit so bald nicht wiedersehen

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