Gedrillt
mochte sechs oder acht Jahre jünger sein als ihr Mann, und ich fragte mich, ob sie versuchte, sich diese anmaßende Bestimmtheit anzutrainieren, die junge Gattinnen brauchten, um den gesellschaftlichen Anforderungen des Berliner Milieus gewachsen zu sein.
»Bernard Samson: Geheimagent! Ich habe noch nie einen richtigen Geheimagenten gesehen.«
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»Das ist schon lange her«, sagte Teacher warnend.
»So lange kann das noch gar nicht her sein«, sagte sie schelmisch. »Er ist doch noch so jung. Also, wie ist das, wenn man Geheimagent ist, Bernard? Sie haben doch nichts dagegen, daß ich Sie Bernard nenne, nicht wahr?«
»Natürlich nicht«, sagte ich verlegen.
»Und Sie sagen Clemmie zu mir.« Sie griff mit theatralisch verschwörerischer Gebärde nach meinem Arm. »Erzählen Sie mir, wie es ist. Bitte.«
»Es ist ungefähr so, als wäre man ein heruntergekommener Privatdetektiv«, sagte ich. »In einem Land, wo es einem dreißig Jahre Knast einbringt, Privatdetektiv zu sein. Oder Schlimmeres.«
»Mach uns was zu essen, Clemmie«, sagte Teacher in einem Ton, dem anzuhören war, daß seine momentane Verlegenheit langsam in Wut umschlug. »Wir sind halb verhungert.«
»Darling, es ist Sonntag. Laß uns feiern. Machen wir diese wunderbare Büchse Sewruga auf, die dir jemand geschenkt hat, nach dem ich dich nicht befragen darf«, sagte sie.
»Fabelhafte Idee«, sagte Teacher und schien erleichtert.
Nicht daß er direkt glücklich ausgesehen hätte. Aber das tat er wohl nie. Clemmie ging in die Küche, den Kaviar zu holen, während Teacher mich ins Wohnzimmer führte und fragte, was ich trinken wolle.
»Haben Sie Wodka?« fragte ich.
»Stolitzschnaja oder Zubrowka oder eine deutsche Marke?«
»Zubrowka.«
»Ich hole ihn aus dem Eisschrank. Machen Sie sich’s bequem.« Kaum war er aus dem Zimmer, sah ich mich um. Ich weiß, daß sich das für einen Gast eigentlich nicht schickt, aber ich kann der Neugier nie widerstehen. Es war ein kleines, aber bequemes Apartment mit einem riesigen Sofa, einer großen Hi-Fi-Anlage und einem langen Regal voller CDs, größtenteils Popgruppen von gestern, die, vermutete ich, wohl Clemmie
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gehörten. Auf dem Beistelltisch lag ein Fotoalbum, in Leder gebunden und mit Troddeln dran, die Sorte Album, in der die Leute prächtige Hochzeiten dokumentieren. Es war mit zusätzlichen Bildern und Programmen vollgestopft, daß es die Seiten spreizte. Ich schlug es auf. Auf jeder Seite Bilder von Clemmie: Clemmie auf dem Sportfeld, beim 1000-Meter-Lauf, Hürdenlauf, Clemmie mit Medaillen ausgezeichnet, silberne Pokale schwenkend. Alle Bilder waren liebevoll mit gestochen geschriebenen Titeln versehen. Hinten eingelegt waren schon vergilbende Sportseiten aus Lokalzeitungen, die große Anzeigen für Schönheitssalons und Seniorenheime brachten, auf denen sie gleichfalls abgebildet war. Auf all diesen Bildern sah sie so jung aus: sehr, sehr jung. Sie hatte sich diese Bilder wohl gerade angesehen, als sie die Tür hörte und nach oben lief, ihr Make-up aufzufrischen. Arme Clemmie.
Das Apartmenthaus war neu und hatte dünne Wände. Als Teacher in die Küche kam, hörte ich seine Frau mit lauter Stimme sagen: »Jesus Christus, Jeremy! Warum hast du ihn bloß mitgebracht?«
»Ich hatte das Geld nicht, sonst hätten wir alle in einem Restaurant essen können.«
»Restaurant? Wenn das im Büro bekannt wird, kriegst du bestimmt Ärger.«
»Frank hat gesagt, ich soll ihn zum Essen einladen. Frank mag ihn.«
»Frank mag jeden, bis es kracht.«
»Ich bin für ihn zuständig.«
»Darauf hättest du dich niemals einlassen dürfen.«
»Es gab keinen anderen.«
»Du hast mir gesagt, daß er ein Ausgestoßener ist, und so wirst du auch enden, wenn du dir das Schwein nicht vom Leibe hältst.«
»Bitte, laß mich tun, was ich für richtig halte.«
»Weil ich dich das habe machen lassen, sitzen wir jetzt in
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dieser beschissenen Stadt.«
»In sechs Monaten haben wir einen schönen, langen Urlaub.«
»Noch sechs Monate hier mit diesen Scheiß-Krauts, und ich bin reif für die Klapsmühle«, sagte sie.
Ich hörte die Tür des Eisschranks zuschlagen und das Geräusch von Eiswürfeln, die in einen Krug geschüttet wurden.
»Du mußt schließlich nicht mit ihnen klarkommen«, sagte sie. Ihre Stimme war jetzt schrill. »Wie sie sich zum Beispiel an der Kasse immer vordrängeln. Ich hasse diese Deutschen.
Und dieses ekelhafte Winterwetter, das nie aufhört! Ich halte es einfach
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