Gedrillt
mir ein Päckchen Zigarillos gekauft. Aber plötzlich beschloß ich, mich noch nicht geschlagen zu geben. Ich reichte ihm das noch ungeöffnete Päckchen und sagte: »Ist das nicht mehr nach deinem Geschmack?«
»Sehr freundlich, Bernd. Bist du sicher …?«
»Ich habe das Rauchen aufgegeben.«
Er zündete sich sofort eine an und fuhr fort: »Aber die wahre Geschichte ist, daß Kleindorf starb, als er mit einem seiner jungen Tanzmädchen im Bett war, einer Frau mit starkem schlesischem Dialekt, die von der Szene verschwand, lange bevor die Polizei eintraf, und die man auch nirgends hat aufspüren können.«
»Was willst du damit andeuten?«
»Sie hat nur wenige Tage für ihn gearbeitet. Der Name und die Adresse, die sie seiner Sekretärin im Babylon nannte, waren falsch.« Er blies Rauch aus.
»Glaubst du, daß die Frau ihn ermordet hat?«
»Sie ist mit einem Amerikaner zusammen in Berlin angekommen. Die beiden sind auch zusammen abgeflogen: zwei Erste-Klasse-Tickets nach Rom. Man hat an Kleindorf keine Einstiche gefunden. Außer von der Nadel, die ihn getötet hat.« Er wartete, bis ich die Nachricht aufgenommen hatte, und fuhr dann fort: »Er hat niemals harte Drogen genommen. Er war ein Gesundheitsfanatiker. Joggte jeden Morgen, Tag für Tag.«
»Und der Autopsiebefund?«
»Keine Autopsie. Die Sterbeurkunde sagt, eine Überdosis von Schlaftabletten habe den Tod verursacht. Ein Unfall.
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Sofortige Beerdigung; ein Antrag auf nähere Untersuchung der Todesursache wurde ohne Begründung abgelehnt.«
»Angeblich soll er auch eine ganze Flasche alten Cognac geleert haben.«
»Es war eine leere Flasche im Schlafzimmer. Wer kann sagen, wieviel er davon getrunken hatte, ohne seinen Magen zu öffnen? Wahrscheinlich hatte er ein Glas mit dem Mädchen getrunken. Hast du Kleindorf je besoffen gesehen?«
»Nein«, sagte ich.
»Genau. Das Ganze soll nur die Tatsachen verschleiern. Es hört sich vollkommen plausibel an für jeden, der nicht weiß, wie Kleindorf wirklich war.«
»Na schön«, sagte ich. »Das Zeug kommt aus Asien. Sie bringen es nach Ostberlin. In Schönefeld lassen sie’s durch den Zoll, denn es gehört zur offiziellen Politik, den weiteren Niedergang des dekadenten Westens zu beschleunigen. Gut.
Was ich aber nicht verstehe, ist, warum das Zeug dann wieder die Runde zurück in den Osten macht.«
»Was da geliefert wird, ist braunes, unraffiniertes Rohmaterial. Man muß schon ganz schön lebensmüde sein, um sich solchen Shit in die Blutbahn zu schießen. Keiner von den Leuten auf der anderen Seite dieses Handels hat die erforderlichen Kenntnisse, Kapitalien und Geräte, es zu raffinieren, oder den Nerv, es zu riskieren.«
»Nimm noch eine Tasse Kaffee, Rolf.« Ich machte der Kellnerin ein Zeichen.
»Guten Kaffee haben sie hier«, sagte Mauser anerkennend.
»Ich bin froh, dich getroffen zu haben, Bernd.«
»Was gibt es aber für Kundschaft im Osten?« fragte ich.
»Und woher kam das Geld?«
Rolf Mauser merkte, daß er in die Zange genommen wurde, aber das war ihm lieber, als zuzugeben, er wisse die Antwort nicht. »Du weißt doch, wie diese Sachen laufen, Bernd. Bei dem Geschäft wurden Drogen gegen Papierkram getauscht.« Er
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hielt inne, als hätte er etwas keiner weiteren Erklärung Bedürfendes offenbart. Das hatte er vielleicht, aber ich wollte jetzt nicht lockerlassen. »Würdest du das bitte im einzelnen ausführen?«
»Genehmigungen. Importe. Aufträge. Eine Unterschrift und ein Gummistempel auf einem Schreibtisch da drüben kann hier eine Menge Geld bedeuten. Du weißt das, Bernd. Dein Freund Werner Volkmann weiß das auch.« Er blies Rauch aus. Es war eine verhaltene Geste von Feindseligkeit. Er sah mich an und wartete auf meine Antwort.
»Du willst doch nicht sagen, daß Werner drin verwickelt war?« Ehe er die Leitung von Lisls Hotel übernommen hatte, hat Werner eine Menge Geld mit Wechselbürgschaften verdient: nämlich Einfuhr- und Ausfuhrgeschäfte so organisiert, daß die DDR nicht genötigt war, in harter Währung zu bezahlen. In dieser Hinsicht war Werner allerdings für seinen Lebensunterhalt auf Ostberliner Unterschriften und Gummistempel angewiesen gewesen.
»Ich weiß nicht.« Er winkte ab. »Wenn er’s war, hat er sich jedenfalls gerade rechtzeitig daraus zurückgezogen. Er geht jetzt nicht mehr rüber.«
»Er hat in Lisls Hotel zu tun«, sagte ich. Ich sah Rolf die Asche von seinem Zigarillo abstreifen. Meine Lust zu rauchen war mir vergangen.
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