Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
eine geheime Anklageerhebung gegen Thurkettle angestrengt, doch war das Gesuch wegen fehlender Identitätsnachweise abgelehnt worden. Ein Antrag beim Justizministerium war ebenso erfolglos geblieben, ein Antrag auf Aberkennung der Staatsbürgerschaft Thurkettles desgleichen. Harry erklärte, daß es aus diesen Gründen unbedingt nötig sei, Thurkettle das Verbrechen nachzuweisen.

    - 238 -
    Jeder – womit Harry vermutlich Brody meinte – hatte gehofft, daß meine Aussage den erforderlichen Beweis liefern würde.
    Denn ehe man diesen Beweis nicht hatte, machte Thurkettle ihnen eine lange Nase und lief frei herum. »Ich verstehe das noch immer nicht«, sagte ich. »Wenn ihr herauskriegt, warum Thurkettle Johnson in die Luft gesprengt hat, könnte alles schon ein bißchen klarer werden.«
    »Wir wissen, warum«, sagte der Feine Harry glatt. »Johnson hatte ihn in der Hand.«
    »Wen? Thurkettle?«
    »Das war Johnsons Auftrag. Die beiden waren alte Kumpels. Joe Brody hat Johnson beauftragt, sich an Thurkettle heranzumachen und die alte Freundschaft zu erneuern. Letzte Woche hat Johnson Brody angerufen und bestätigt, daß Thurkettle im Rauschgiftgeschäft ist. Er konnte am Telefon nicht viel sagen, meinte aber, er hätte genug Beweise, Thurkettle vor ein Schwurgericht zu bringen.«
    »Aber Thurkettle war euch allen immer einen Sprung voraus.«
    »Joe Brody gibt sich selbst die Schuld daran.«
    »Rauschgift?«
    »Die am Grosvenor Square vorherrschende Theorie«, sagte Harry, »ist, daß Thurkettle auch dem armen alten Kleindorf das Lebenslicht ausgeblasen hat.«
    »Weshalb hätte er das tun sollen?«
    »Ich hatte gehofft, du würdest das mir erzählen. Wir meinen, daß Thurkettle irgendwie mit der Londoner Zentrale im Geschäft ist.« Er lachte auf eine Weise, die andeutete, das könnte auch ein Witz sein. Ich beschloß, nicht wütend zu werden. Ich war zu alt, zweimal am selben Tag wütend zu werden. Ich nickte und dankte ihm für das Mittagessen und war zufrieden, Tessas neuen Freund mit Kinnbart und ohne Schnurrbart nicht zur Sprache gebracht zu haben. Denn dann hätten sie bestimmt George und Tessa das Haus eingerannt.

    - 239 -
    Und den Bart mochte er ja inzwischen auch längst abrasiert haben. Wir plauderten noch ein paar Minuten länger, und dann verabschiedete ich mich von dem Feinen Harry und ging nach Hause. An jenem Tag hatte ich den Wagen zu Hause gelassen und war mit der Bahn in die Stadt gefahren. Während ich die ganze Fahrt überstand, hatte ich Gelegenheit, mir zu überlegen, was passiert war. Hatte man mich hintergangen, fragte ich mich. Brodys Wut war zu überzeugend gewesen, und die Reaktion des Feinen Harry konnte auch nicht nur Theater gewesen sein. Aber hatten die bärenstarken Martinis und das üppige Mittagessen, bei dem es so reichlich zu trinken gab, nicht dem Zweck dienen sollen, mich weichzumachen, damit Brody mich erfolgreich in die Mangel nehmen konnte? Und inwieweit hatte Dicky vermutet, was mir bevorstand?

    - 240 -

15
    »Onkel« Silas kenne ich, solange ich denken kann. Er war meines Vaters Chef, schon bevor ich geboren wurde. Ich erinnere mich an ihn in Berlin, als ich noch ein Kind war. Er war der Patenonkel des kleinen Billy und ein entfernter Verwandter meiner Schwiegermutter.
    Er hatte sich schon vor langer Zeit aus dem Department zurückgezogen und lebte jetzt auf seinem kleinen Gut in den Cotswold Hills. Er war alt und wurde von Besuch zu Besuch unleidlicher, aber ich wußte, daß es Zeiten gegeben hatte, in denen er mich lästiger fand, als er mir je war. Wenn ich der Wahrheit ins Gesicht sah, hatte ich vermutlich meinen Job noch immer deshalb, weil mein Vater sich gute Freunde gemacht hatte; und Onkel Silas war einer von ihnen.
    Als mich deshalb Mrs. Porter, seine Haushälterin, anrief und mir aufgeregt erzählte, daß es ihm leider gar nicht gutgehe und er mich sehen wolle, machte ich mich sofort zu ihm auf den Weg. Ich bat nicht um Erlaubnis oder sagte Dicky, daß ich einen Tag Urlaub brauchte, ja, ich ließ nicht mal im Büro Bescheid sagen. Ich fuhr zu ihm.
    Der Tag begann mit nicht nachlassendem schweren Regen, und die nassen Straßen nötigten mich, vorsichtig zu fahren. Es war eine lange Fahrt, und ich hatte deshalb unterwegs reichlich Zeit, mir meinen überstürzten Entschluß zu überlegen. Als ich die Cotswold Hills erreichte, verloren sich die Hügel in seidigen Strängen grauen Nebels, der auch die Bäume des Guts umhüllte. »Whitelands« bestand aus etwa

Weitere Kostenlose Bücher