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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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auf die Nerven.«
    »Eigentlich nicht.«

    »Vielleicht bist du ein bisschen geduldiger als ich«, sagte Abbie und musste plötzlich lächeln. »Mich hat er früher ständig genervt! Tom bemerkt wenigstens, dass ich da bin!«
    »Abbie«, sagte Dee, als Abbie weitergehen wollte.
    »Komm schon«, sagte Abbie und drehte sich wieder zu ihr um. »Sag schon, was du zu sagen hast. Dir brennt doch eindeutig was auf den Nägeln.«
    »Okay«, meinte Dee. »Es geht mich ja nichts an, aber ich sage es jetzt trotzdem. Das mit dem Unfall. Stimmt die Geschichte wirklich?«
    »Pah!«, sagte Abbie und zeigte auf ihr blaues Auge. »Woher, glaubst du, sollte ich das hier haben? Denkst du, ich hab’s mir aufgemalt, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu kriegen, oder was?«
    »Nein«, sagte Dee und spürte, wie ihr der Mut schwand. »Es ist nur, dass ein paar Leute dachten, Tom hätte …«
    »Tom?«, kreischte Abbie mit einem übertriebenen Lächeln. »Das wär’s noch!«
    War da ein leichtes Zucken in ihren Augen, eine leichte Veränderung ihrer Gesichtsfarbe? Oder war das nur Einbildung?
    »Das kann schon mal passieren«, meinte Dee. »Wenn es aus dem Ruder läuft. Es…«
    Sie hielt inne, weil ihr das Herz plötzlich heftig in der Brust schlug und es ihr die Kehle so zusammenschnürte, dass sie nicht mehr atmen, geschweige denn sprechen konnte.

    »Hey!«, sagte Abbie und stellte ihre Tasche ab, um Dee zu einer Bank zu führen, wo sie zu weinen anfing. »Was hat das denn alles zu bedeuten?«
    Dee konnte noch immer nicht sprechen. Das Schluchzen war so tief und so heftig, dass es an ihrer Brust zog, als wollte es ihr die Rippen zerreißen. Und dabei war sie sich die ganze Zeit bewusst, dass Abbie neben ihr saß und sie einfach nur anstarrte. Nach und nach drang auch Abbies Stimme zu ihr durch.
    »Dee, was ist denn? Was ist denn los? Du bist ja ganz blass, total weiß. Soll ich jemanden holen?«
    »Nein«, brachte Dee schließlich hervor. »Es geht schon wieder - tut mir leid.«
    »Schon okay«, sagte Abbie. »Aber das hat alles gar nichts mit Tom und mir zu tun, oder?«
    »Irgendwie schon. Vielleicht. Die Sache ist die«, sagte Dee, und die Worte sprudelten zwischen den Schluchzern nur so aus ihr heraus, bevor sie sie zurückhalten konnte. »Zu Beginn kann man sich so leicht vormachen, es wäre ein Unfall gewesen. Die Leiter ist umgekippt, keiner hat sie gestoßen. Oder wenn jemand drangestoßen ist, dann nicht mit Absicht. Und wenn jemand das Bügeleisen nach einem geworfen hat, wollte er danebenwerfen, nicht wahr? Außerdem hat es demjenigen echt leidgetan. Er oder sie war angespannt, im Stress. Es war eine einmalige Sache und kommt bestimmt nicht wieder vor.«
    »Dee«, sagte Abbie leise. »Worüber reden wir hier eigentlich?«
    Stopp. Jetzt war der richtige Punkt, um aufzuhören.
Aufzustehen und wegzugehen. Während es alles noch ganz vage und allgemein war. Aber Dee konnte es nicht. Es war, als hätte eine andere von ihr Besitz ergriffen. Eine andere Dee. Und die konnte sie nicht aufhalten, konnte sie nicht zum Schweigen bringen.
    »Lauren«, sagte sie, »meine Stiefmutter. Das ist jahrelang so gegangen. Nicht ständig, nicht die ganze Zeit. Das war ein Teil des Problems. Zwischendrin war sie ganz toll, wenn alles gut lief. Und selbst wenn es nicht gut lief, dann war oberflächlich immer noch alles bestens, gegenüber anderen Leuten, gegenüber uns. Dad war das Opfer. Immer dann, wenn sie alleine waren. So als wäre es geplant! Absicht. Sie hat ihn geschlagen, geboxt, getreten oder später, als es wirklich schlimm wurde …«
    »Mein Gott«, sagte Abbie. »Man hört immer, dass Kerle Frauen verdreschen, aber nicht umgekehrt!«
    »Nicht so oft, nein«, sagte Dee, »vor allem weil Männer noch viel weniger darüber sprechen und sich Hilfe suchen. Es ist ihnen irgendwie peinlich, schätze ich.«
    Dee biss sich auf die Lippen und versuchte, sich daran zu hindern, weiterzusprechen, aber es funktionierte nicht. Die Erinnerung an die zunehmend ernster werdenden Verletzungen ihres Vaters drängte sich in ihre Gedanken. Die gebrochenen Rippen, die Verbrennung an seinem Arm, wo er angeblich einen Topf mit kochendem Wasser fallen gelassen hatte. Und sie hatten es alle so akzeptiert. Sie hatten nicht einmal Verdacht geschöpft. Nicht einmal, als ihr Dad angefangen hatte, sich in sich selbst zurückzuziehen, und reizbar, nervös, ängstlich und wütend
geworden war. Wütend auf Gran und Granddad, als sie wieder einmal vorgeschlagen hatten, dass

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