Gefährlich nah
wird…!«
»Das wird nicht passieren«, sagte Abbie bestimmt. »Nicht durch mich. Aber…«
»Was?«
»Ich verstehe jetzt, warum du so ausgetickt bist«, sagte Abbie und berührte ihr verletztes Gesicht. »Deswegen. Aber Tom war das nicht. Er ist nicht so wie deine Stiefmutter, Dee! Er ist ein bisschen verwöhnt und will, dass alles nach seinem Willen geht, das gebe ich zu, aber er ist kein Fiesling. Er ist nicht gewalttätig und er würde mir nie, niemals wehtun. Nicht so.«
Dee nickte. Es war verrückt gewesen von ihr, so etwas auch nur zu denken. Die Chancen, dass sie ein zweites Mal jemandem wie Lauren begegnen würde, waren winzig. Tom war offenbar ein Kontrollfreak, aber das waren viele Menschen. Es bedeutete nicht, dass sie auch psychisch gestört oder gewalttätig waren.
»Tom ist in Ordnung«, versicherte Abbie. »Er ist mehr als in Ordnung. Er ist das Beste, was mir jemals passiert ist, und es macht mich total sauer, dass die Leute immer so schlecht über ihn reden müssen, obwohl sie ihn doch gar nicht richtig kennen.«
»Ich glaube, es ist gerade, weil wir ihn nie richtig kennengelernt haben.«
»Tja«, meinte Abbie schulterzuckend. »In der Hinsicht ist er eben ein bisschen komisch. Er bleibt lieber bei seiner
eigenen kleinen Clique von Freunden. Und mir macht das nichts aus. Ich gewöhne mich langsam an sie. Sogar an Paige! Apropos«, fügte sie mit einem Blick auf die Uhr hinzu. »Ich bin gleich mit ihnen in der Stadt verabredet. Kommst du denn jetzt klar hier?«
»Ja«, sagte Dee. Abbie stand auf und griff nach ihrer Tasche. »Alles klar … und viel Glück mit allem.«
»Dir auch«, sagte Abbie. »Und schöne Weihnachten, ja? Hey, schau mal, es schneit.«
»Mehr Schneeregen«, sagte Dee und schauderte.
»Jedenfalls gehst du jetzt lieber rein, bevor du dich hier draußen totfrierst.«
Dee war bereits vollkommen durchgefroren, ihre Muskeln verspannt und schmerzend. Sie kehrte ins Schulgebäude zurück und ging dort direkt aufs Klo, wo sie sich warmes Wasser über die Hände laufen ließ. Sie tauchte die Hände ins Waschbecken und ließ sie dort und spürte, wie die Wärme in ihr aufstieg, während sie in den Spiegel starrte und die eine Frage immer und immer wieder durch ihren Kopf ging.
Warum hatte sie das getan? Wie hatte sie nur so dumm sein können? Warum hatte sie sich nicht gebremst? Wenn Abbie es weitererzählte, nur einer einzigen Person, konnte sich die Geschichte immer weiter verbreiten. Bei dem Gedanken, dass alle es wüssten, darüber sprachen, wurde ihr wieder übel. Eigentlich war es ganz leicht zu verstehen, warum Dad all die Jahre still gehalten, es versteckt und so getan hatte, als wäre nichts. Während es im Stillen an seinem Selbstbewusstsein, seiner Selbstachtung nagte
und er mit der Zeit wirklich glaubte, es wäre alles seine Schuld!
Das Geräusch einer Klospülung schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Sie hatte gedacht, sie wäre alleine. Eine Sekunde später wurde eine der Türen geöffnet und Hazel tauchte auf.
»Hey!«, sagte Hazel. »Ich hab mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist. Alles okay mit dir?«
»Äh, ja«, sagte Dee, zog den Stöpsel heraus und schüttelte ihre Hände. »Ich habe mit Abbie geredet.«
Sie hielt kurz inne.
»Du und Abbie, ihr wart doch mal richtig gut befreundet, oder? Dann habt ihr euch doch sicher auch alles Mögliche erzählt. Ich meine, wenn du ihr etwas Besonderes, etwa ganz Persönliches erzählt hast, konnte sie das dann für sich behalten?«
»Sie hat es versucht«, meinte Hazel. »Abbie ist ja nicht durch und durch gemein oder so. Sie würde nie absichtlich etwas ausplaudern, aber, na ja, du kennst sie ja.«
»Was meinst du damit?«
»Sie ist eine Plaudertasche«, sagte Hazel. »Sie denkt manchmal nicht nach und platzt einfach mit etwas heraus. Aber wahrscheinlich nicht, wenn es was echt Wichtiges wäre. Warum? Was ist denn los? Du siehst ja schrecklich aus!«
»Nein. Mir geht’s gut. Es ist gar nichts«, sagte Dee. »Wir haben nur so über Sanjay geredet und so. Und ich hab ihr was gesagt, von dem ich nicht so gerne will, dass er es hintenrum erfährt.«
»Ach so«, sagte Hazel. »Nein. Das müsste okay sein. Ja, ganz bestimmt, denke ich. Nicht zuletzt deswegen, weil Sanjay und wir alle Abbie inzwischen scheißegal sind. Ich glaube kaum, dass wir sie je wiedersehen werden, was?«
ZEHN
Hazel saß am Küchentisch und schnitt eine Gurke in, wie sie hoffte, ordentliche kleine Würfel und mischte sie unter den
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