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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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er einen Arzt aufsuchen sollte.
    »Die Leute reden immer davon, dass man keinem Fremden trauen sollte, nicht wahr?«, sagte Dee, und ihre eigene aufgestaute Wut brach aus ihr hervor. »Dabei sind oft gar nicht die Fremden das Problem, sondern die Leute, die einem nahestehen. Leute, die man liebt. Lauren hat sogar Glas in Dads Essen getan. Unglaublich, oder? Er hat zuerst gar nicht gemerkt, was ihm solche Magenbeschwerden verursacht hat. Und als er es merkte, hat er es niemandem gesagt, er hat nie etwas gesagt. Hat es einfach alles immer weiter und weiter laufen lassen.«
    »Aber warum?«, hauchte Abbie. »Okay, vielleicht wollte er es keinem erzählen und sich keine Hilfe holen oder so, aber warum hat er sie nicht einfach verlassen?«
    »So einfach ist das eben nicht, wenn man jemanden liebt! Ich meine, würdest du Tom einfach so fallen lassen?«
    »Doch«, sagte Abbie, ohne zu zögern, »wenn er so was machen würde. Doch, das würde ich.«
    »Ich weiß nicht, warum es Dad so schwergefallen ist«, sagte Dee. »Nicht wirklich. Zum Teil wohl auch unseretwegen, glaube ich. Weil wir alle so begeistert von ihr waren. Alle dachten, sie wäre so verdammt toll. Sie hat sozusagen die Lücke gefüllt, nachdem unsere Mutter gestorben war, weißt du? Hat uns wieder glücklich gemacht … oder jedenfalls glücklicher.«
    Abbie starrte dumpf vor sich hin, so als könnte sie sich das alles nicht einmal ansatzweise vorstellen.

    »Und Dad dachte, sie würde sich verändern, schätze ich«, fuhr Dee fort. »Dass alles gut werden würde, wenn er sie nur genug liebte und versuchte, alles richtig zu machen, und wenn es ihnen gelang, das Baby zu kriegen, das sie haben wollte. Ich glaube, sie tat ihm auch irgendwie leid. Ich meine, Lauren hatte alle möglichen Probleme, ganz abgesehen von der Sache mit ihrer Unfruchtbarkeit. Sachen, von denen Dad etwas wusste, aber wir nicht.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Ziemlich perverse, echt harte Sachen. Sie war als Kind missbraucht worden. Glaub mir, die Details willst du gar nicht wissen. Außerdem konnte man bei Lauren nie wissen, was stimmte und was nicht. Es ist möglich, dass das alles nur ein Haufen Lügen waren. Aber das glaube ich nicht. In jedem Fall war sie hochgradig psychotisch, total gestört. Fast eine gespaltene Persönlichkeit. Und nichts, was Dad tun konnte, hätte das wieder gut machen können. Ganz egal wie viel Liebe oder wie viele Babys, es hätte keinen Unterschied gemacht. Es hätte immer andere Gründe gegeben. Etwas anderes, das sie wollte und nicht kriegen konnte, für das sie Dad die Schuld geben konnte. Nur hat er sich das nicht klargemacht. Jedenfalls nicht, bevor alles völlig außer Kontrolle geraten war.«
    Dee schüttelte den Kopf, als versuchte sie, alles beiseitezuschieben, aber es wollte nicht. Es wollte einfach weiter aus ihr heraus.
    » Sie war diejenige, die keine Kinder kriegen konnte.
Das wusste sie. Aber sie konnte es nicht akzeptieren. Also hat sie Dad die Schuld gegeben.«
    »Obwohl es doch ganz offensichtlich war, dass er Kinder haben konnte.«
    »Das ist nicht logisch«, sagte Dee. »Nicht rational. Es ist eine Krankheit. Wie die Leute, die sich selbst schneiden, weil es angeblich ihren Schmerz erträglicher macht. Nur hat Lauren eben nicht sich selbst geschnitten, sondern…«
    Dee beugte sich vor und würgte.
    »Aber dein Dad hat es geschafft, sich davon zu befreien, nicht wahr?«, fragte Abbie. »Irgendwann? Ich meine, diese Lauren ist doch jetzt nicht mehr da, oder?«
    »Nein«, sagte Dee. »Sie ist nicht mehr da. Aber Dad hat sich nicht wirklich befreit. Er wurde gezwungen. Durch das, was passiert ist. Durch das, was mit Scott passiert ist. Er …«
    »Du musst nicht«, unterbrach Abbie. »Du musst mir nicht mehr erzählen, wenn du nicht willst.«
    Aber es war schon zu spät. Die Worte sprudelten einfach weiter aus ihr heraus. Es war verrückt. Dass sie es ausgerechnet Abbie erzählte! Alles. Jedes kleinste, entsetzliche Detail, das an jenem Neujahrstag vor zwei Jahren geschehen war. Als Dee fertig war, saß Abbie ganz still neben ihr und hielt Dees Hände fest umklammert, die ganz weiß und eiskalt waren.
    »Oh Gott«, sagte Dee. »Was hab ich getan? Ich hätte nichts davon erzählen sollen. Ich hätte es dir nicht sagen sollen. Du wirst es doch niemandem weitererzählen,
oder? Bitte, versprich mir, dass du es keinem erzählst, ja? Das ist wichtig. Scott und Dad geht es besser in der letzten Zeit, seitdem wir hier sind. Aber wenn das bekannt

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