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Gefaehrlich sexy

Gefaehrlich sexy

Titel: Gefaehrlich sexy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Karr
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weil ich einfach wissen muss, was all das zu bedeuten hat.
    Als ich in sicherem Abstand zu ihm stehen bleibe und ihm in die Augen sehe, wird er sofort wieder ernst. Er setzt seine Kapuze ab und senkt den Kopf, sieht mich dabei aber weiter reglos an. Dann stopft er die Hände in die Hosentaschen und lehnt sich fast stoisch an das wacklige Geländer. Ich starre ihn noch immer an. Mein Herz schlägt immer schneller, und ich habe das Gefühl, in Treibsand zu versinken. Am liebsten würde ich mich umdrehen und vor den Gefühlen, die in meinem Inneren toben, flüchten, doch ich bleibe stehen. Denn sein Blick hält mich in seinem Bann.
    Ich beiße mir auf die Lippe und bleibe vollkommen unbeweglich vor ihm stehen – weil er einmal mein Freund und Partner war, jetzt aber ein Fremder für mich ist. Keiner von uns sagt ein Wort, und erst, als in der Ferne eine Eule ruft, hebt er wieder den Kopf und setzt ein warmes Lächeln auf. »Auch Hoot ist wieder da. Sie hat offenbar gemerkt, dass wir jemanden brauchen, der die Stille zwischen uns durchbricht.« Immer, wenn in unserer Nähe eine Eule rief, hat Ben gesagt, sie hieße Hoot. Als hätten wir jedes Mal dasselbe Tier gehört.
    »Können wir reden?«, fragt er mich, und seine Stimme macht mir eine Heidenangst. Denn diese Stimme hat mir jahrelang gefehlt, und bis vor neun Monaten hätte ich alles darum gegeben, sie noch mal zu hören.
    Ich nicke stumm. Wir müssen reden. Deshalb bin ich schließlich hier. Nur dass es mir seltsam, fremdartig, gezwungen vorkommt, jetzt hier mit ihm zu stehen. Ich kriege einfach den Mund nicht auf. Denn er war nicht nur längere Zeit auf Reisen und soll mir erzählen, wie sein Urlaub war. Sondern er war tot.
    Er hingegen wirkt total entspannt und findet wie immer genau die richtigen Worte für die Situation. Er drückt sich vom Geländer ab, zeigt mit der Schulter Richtung Strand, und als er zum Wasser geht, bemerke ich unweigerlich, dass auch sein ruhiger, gleichmäßiger Gang vollkommen unverändert ist. Während ich ihm folge, unterziehe ich ihn einer eingehenden Musterung. Seine Schultermuskeln zeichnen sich nicht mehr so deutlich unter dem Sweatshirt ab, und sein Rücken kommt mir etwas schmaler vor. Ich habe ihn noch nie so schlank gesehen. Anscheinend war er nirgendwo, wo es die Gelegenheit zum Surfen gab.
    Ich behalte meinen Abstand zu ihm bei. Weil ich ihm auf keinen Fall zu nahe kommen, ihn auf keinen Fall berühren will. Diese Begegnung ist vor allem deswegen so seltsam, weil er sonst an diesem Ort stets meine Hand gehalten hat. Seit wir kleine Kinder waren, hat er immer meine Hand genommen, wenn er mit mir über diese Brücke an den Strand gegangen ist. Aber jetzt gehen diese glücklichen Erinnerungen in dem Nebel der Verwirrung unter, der seit seiner Rückkehr um meine Gedanken und Gefühle wogt. Mein Magen zieht sich abermals zusammen, als ich weiter hinter ihm den Pfad hinuntergehe. Denn ich weiß, dass ich auf diesem Weg mein Gleichgewicht verlieren werde und dass dieses Treffen meine Welt vollkommen auf den Kopf stellen wird.
    Der Strand dehnt sich zu beiden Seiten endlos aus, aber Ben geht auf das Wasser zu. Schließlich bleibt er stehen, stößt einen Seufzer aus und dreht sich wieder zu mir um. Plötzlich kann ich seine vertrauten Züge deutlich sehen: die feingemeißelte Nase, das kantige Kinn und die Augen, die immer genauso deutlich zu mir sprachen, als hätte er etwas gesagt. Und das tun sie auch jetzt, als er den Armreif sieht, den ich an dem Tag von ihm geschenkt bekommen habe, an dem er erschossen worden ist.
    »Du trägst ihn immer noch.«
    Prompt bedecke ich das Schmuckstück mit der linken Hand, als könnte ich es so verschwinden lassen. Aber dadurch und vor allem durch den Ring an meinem Finger wird sein Blick noch intensiver als bisher. Plötzlich wogen heiße Schuldgefühle in mir auf. Keiner von uns sagt ein Wort.
    Er scheint gar nicht zu merken, dass das Wasser über seine Flip-Flops schwappt. Während sich das Licht des Mondes über uns ergießt, atmet er tief ein, reibt sich die blutunterlaufenen Augen und fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Nach dem, was gestern vorgefallen ist, war ich mir nicht sicher, ob ich dich je wiedersehen würde, dabei hast du mir schon so lange gefehlt.«
    Er tritt auf mich zu und streckt die Hände aus, als wollte er mein Gesicht umfassen. Ich weiche hastig vor ihm zurück und strecke ebenfalls die Hände aus, um ihm zu zeigen, dass

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