Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Unwetter im Gebirge unsere Orientierung und Wandermöglichkeiten in bedrohlicher Weise einschränkt und suchen Unterschlupf. Wir wissen, dasswir im Dunkeln schlechter sehen und fahren mit dem Auto langsamer. In beiden Fällen ist dieses Verhalten rational nachvollziehbar. Und es ist nicht die Angst vor bösen Geistern, die im Dunkeln lauern könnten, oder vor dem Zorn Jupiters, der seinen Blitz auf uns schleudern und uns wegen einer Unbotmäßigkeit bestrafen will.
Grün geht davon aus, dass Gruppenängste aufgrund der Vernachlässigung der Wahrscheinlichkeit eines Risikos entstehen. Einerseits versäumen wir, wenn wir furchtlos sind, risikominimierende Vorkehrungen, andererseits erwarten wir aus angstbedingter Blindheit den Eintritt des schlimmsten denkbaren Falles. Das Maß der Angst ist niemals dem sie auslösenden realen Faktor geschuldet. Dieser Prozess steigert sich und wir sehen bestimmte Risiken als besonders wahrscheinlich an und wir orientieren uns innerlich auf den schlimmstmöglichen Fall, unabhängig von der Wahrscheinlichkeit, dass dieser eintritt.
Wenn man die Überlegungen von Grün mit dem Umgang mit den entlassenen Sicherungsverwahrten vergleicht, kann man zum Schluss kommen, der Autor habe deren Situation und den öffentlichen Umgang mit diesen als Fallbeispiel vor Augen gehabt.
Die von Grün entwickelte „Checkliste gegen Angst“ 62 würde meines Erachtens ausreichen, um auch mit den als gefährlich bezeichneten Straftätern einen vernünftigen Umgang zu finden.
Die Bereitschaft zur Angst wird laut Grün durch die
Vernachlässigung von Wahrscheinlichkeiten
verstärkt. Die Vernachlässigung aller kriminologischen Erkenntnisse und Statistiken führt unsere Politik mit Unterstützung der Medien seit Jahren beispielhaft vor.
Vielfach entsteht laut Grün flächendeckende Angst durch ein
unverantwortliches Angstmanagement
von Verantwortungsträgern und Meinungsmachern. Dies ist bei den entlassenenVerwahrten in der Form von aufhetzender Informationspolitik besonders deutlich an den Beispielen im Film „Auf Teufel komm raus“ und im Bericht über die Situation in Insel zu sehen. In diesen Fällen haben Bürgermeister und Landrat in unverantwortlicher Weise Angst schürende Information oder besser Desinformation verbreitet.
Grün nennt den Mechanismus des sogenannten
Vorsorgeprinzips
. Dieses hat die Polizei exzessiv betrieben, als sie vor den Entlassungen der Sicherungsverwahrten nach „Vorsorge“ ruft und Schreckensszenarien für den Fall entwarf, wenn nicht massiv vorgesorgt wird.
Angst ist ansteckend.
Gruppen entwickeln ein höheres Angstniveau als Individuen. Dem ist schwer zu begegnen, wir müssten mit möglichst jedem Einzelnen über die Realität und die Differenz zu seinen Ängsten reden. Grün schließt seine Ausführungen mit Empfehlungen ab, die er von dem Psychologen Isaac Marks entlehnt hat: Angst ist unangenehm, aber selten gefährlich. Vermeiden Sie Flucht. Fördern Sie die Begegnung mit der Angst. Je länger Sie sich der Angst aussetzen, desto besser. Je schneller Sie sich mit dem Schlimmsten konfrontieren, desto rascher wird Ihre Angst nachlassen. 63
In dem Dokumentarfilm „Auf Teufel komm raus“ setzen Frauen aus der verängstigten Bevölkerung diese Ratschläge um. Nach einiger Zeit der Unterstützung der protestierenden Gruppe der Bürger setzen sie sich besonnen zusammen. Sie erinnern sich an selbst erlittene Misshandlungen, über die sie bislang mit niemandem gesprochen hatten und beschließen, den Mann, den sie zuvor noch mit aus dem Ort vertreiben wollten, aufzusuchen und mit ihm zu sprechen. Im Film wird die Dichte dieser Gespräche ebenso deutlich wie das Nachlassen der Angst. Dass dieses Verhalten Mut und Zivilcourage braucht, merken die Frauen später deutlich, als sie den negativen Reaktionen ihrer Mitbürger und öffentlicher Institutionen ausgesetzt sind.
Was kann der Strafvollzug leisten?
Billy Meyer fragte mich, ob ich denn die Mitarbeiter im Strafvollzug für schlechte oder untaugliche Menschen halte. Ich konnte mit einem klaren Nein antworten. Ich habe viele als Kollegen kennengelernt, die ihre Arbeit gewissenhaft als wichtige Aufgabe angenommen haben.
Die Frage entspricht aber dem Zeitgeist: Wir haben uns angewöhnt, Dinge, die nicht funktionieren, als Problem zu individualisieren. Beim Flugzeugabsturz ist es für die Airline günstiger, der Pilot war das Problem, als dass man Mängel im System einräumt.
Diese Individualisierung von Problemen halte
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