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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Asprion
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Rolle mehr. Je mehr Zeit vergangen war, desto unveränderbarer war das Bild, das sich die verantwortlichen Stellen von ihnen machten.
    Manches erinnert mich erschreckend an das Experiment „Gesund in kranker Umgebung“ 58 des Sozialpsychologen David Rosenhan. Dort wurden gesunde Menschen mit einer fiktiven Krankenakte in Psychiatrischen Kliniken untergebracht. Letztlich konnten sie nur mit Mühe wieder aus diesen befreit werden. Ihr gesamtes Verhalten und ihre Äußerungen wurden unter der Brille „psychische Krankheit“ gedeutet. Es gab kein Entkommen. Ich hoffe, dass das so in den heutigen Psychiatrischen Kliniken nicht mehr möglich wäre. Aber dass meine Klienten in gewisser Weise in einer Falle stecken, wurde für mich offensichtlich. Dabei habe ich sie bei allen persönlichen Eigenheiten als anpassungs-, veränderungsbereit und kooperativ erleben können. Und dies unter äußeren Umständen, die jeden durchschnittlichen Bürger über den Rand seiner Belastbarkeit bringen könnten. Sie haben dies überwiegend mit Gelassenheit und teilweise sogar Humor ertragen.
    Dies als Schwarzer-Peter-Spiel zu benennen, ist noch eine freundliche Metapher; nimmt es doch damit Bezug auf ein fröhliches, spannendes Spiel. Im Leben meiner Klienten aber greift es ihre Würde an, wenn sie zum Schwarzen Peter definiert werden. Ihr Ausschluss und die Abwehr ihnen gegenüber ist unerträglich und nicht mit dem Geist der Konvention der Menschenrechte vereinbar.
    Die Menschenrechte sind von ihrer Natur her unteilbar und gelten für alle Menschen gleichermaßen. In einem Staat, indem sich bei jeder Auslandsreise eines Politikers in ein Land mit zweifelhaftem Umgang mit den Menschenrechten Bürger die Frage stellen: „Spricht er auch in ausreichender Deutlichkeit die Praxis der Menschenrechte im Gastland an?“, sollte menschenrechtliche Praxis im eigenen Land selbstredend vorbildlich sein.

Was noch zu fragen wäre
    „Was wir brauchen, sind mehr Fragen!

    Die Ernsthaftigkeit unseres Gegenstandes macht uns zu pedantisch und
    damit unfähig für völlig neue Denkansätze!“

    Nils Christie

    Dass der Gegenstand meiner Überlegungen ein ernsthafter ist, wird niemand bezweifeln. Es geht um physische und psychische Unversehrtheit von Opfern und Tätern. Im Alltag sprechen wir von den „zwei Seiten einer Medaille“. Ich erweitere dieses Bild um die dritte Seite. Sie können das selbst mit einer Münze testen: Stellen Sie sie auf einer glatten Fläche auf die dritte Seite, die es zwischen „Kopf und Zahl“ gibt. Sie werden feststellen, es kann gelingen; Sie werden aber auch feststellen, dass Sie Ruhe, Geduld und eine sichere Hand brauchen, wenn das Experiment gelingen soll. Fällt die Münze um, ist der Blick auf eine der beiden Seiten verstellt.
    Diese Geduld und sichere Hand wünsche ich mir im Umgang mit entlassenen Straftätern, besonders bei den als gefährlich angesehenen.
    Ändern sich Menschen?
    Karl Kraus 59 wird der Satz zugeschrieben, dass „die Diagnose die schlimmste Krankheit sei“. Sowohl in den Unterlagen über meine Klienten als auch in Gesprächen mit anderen Beteiligten spielt die Frage der Diagnose eine wesentliche Rolle. Es werden offensichtlich keine Mühen gescheut, um herauszufinden, „was das für einer ist“.
    Der Psychiater Manfred Lütz geht in seinem Buch „Irre! Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen“ davon aus, dass weit mehr Gefahr durch Straftaten von „Normopathen“ denn von „Psychopathen“ herrühre. Es sieht so aus, als würden wir mit der Suche nach der „richtigen“ Diagnose, die ja auch immer wieder „richtige“ Prognosen nach sich zieht, einen Irrweg gehen. Manches erinnert an die Geschichte vom Mann, der seinen Schlüssel in der Dunkelheit im Licht einer Straßenlaterne sucht und einem hilfsbereiten Mitmenschen erklärt, dass er den Schlüssel nicht unter der Laterne, sondern drüben, im Dunkeln verloren habe, dort sei aber kein Licht zum Suchen.
    Nach den Untersuchungsergebnissen von Michael Alex ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass wir den Schlüssel zur Lösung des Problems unter der Laterne der Prognosestellung finden können.
    Wissen wir, wie wir einen Menschen ändern oder zur Veränderung bewegen können? Diese Frage dürfte eine der Grundfragen von Psychologie und Pädagogik in allen Zeiten gewesen sein und heute noch sein. Und ich glaube, sie ist letztlich nicht zu beantworten. Der Mensch ist ein zu komplexes Wesen und nicht trivial

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