Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Ambulanz ohne polizeiliche Begleitung, in einer Art Ausgang aus der Observation zu ermöglichen und nach zwei Monaten diese ‚Ausgänge‘ zu erweitern, falls Herr Roser sich dabei bewährt.Herr Roser gibt selbst die Anregung, dass er auch einen Ein-Euro-Job annehmen könnte.“
Diese Planung wird mit Ludwig Roser besprochen, die Strafvollstreckungskammer und Führungsaufsichtsstelle erhalten die Anregungen zur Kenntnis. Doch der Vorsitzende der Forensischen Ambulanz nimmt Abstand von diesen Vorschlägen und distanziert sich von den Äußerungen seines Mitarbeiters. Den Probanden kennt er nicht und ist als Jurist auch nicht unbedingt für Diagnosen zuständig. Polizeidirektion, Führungsaufsichtsstelle oder Strafvollstreckungskammer reagieren nicht. Bis heute behandelt die Polizei Ludwig Roser wie zuvor und observiert ihn,rund um die Uhr‘, jeden Tag.
Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass die Polizei bei allem Reden über die Notwendigkeit von Kooperation darunter etwas anderes versteht als ich. Erwünscht und erwartet erscheint vor allem eine Form der „Zuarbeit“, mit dem Ziel, den Einsatz der Polizei zu erleichtern. Welche Zumutung diese Zuarbeit und Zugeständnisse für Kooperationspartner und betroffene Klienten bedeuten, darf kein Thema sein. Und wird dies dennoch einmal thematisiert, steht man auf der „anderen Seite“, wird vom vermeintlichen Kooperationspartner zum Gegner deklariert und „verfolgt“. Zeitweise hatte ich nicht mehr die Klarheit, ob jetzt mein Klient vorrangiges Objekt der Überwachung ist, oder ob ich wegen meiner Arbeit mit dem Klienten in den kritischen Blick der Polizei komme. Beispielsweise hat die Polizei sich jederzeit das Recht herausgenommen, sich öffentlich zu den Klienten und der von der Polizei zu tragenden Belastung zu äußern. Äußerungen von meiner Seite zur Situation der Klienten werden in Dossiers gesammelt und als Beschwerdematerial beim Justizministerium oder meinen Vorgesetzten vorgebracht. Dass die Polizeidirektion die Aufhebung der Observation zweier meiner Klienten der Presse mitteilt und ich über die Presse hierüber informiert werde, scheint vollkommen normal. Ich antworteauf die telefonische Anfrage eines Journalisten, was ich davon halte, dass diese Überwachung aufgehoben ist, dass ich nichts dazu sagen könne, weil ich davon nichts wisse. Auf die Information des Journalisten, dass er das doch gerade von der Polizei erfahren habe, äußere ich, mich freue das für die Klienten, ich sei froh über die Erleichterung und ginge davon aus, dass die Polizei auch bei anderen Klienten Wege zur Lockerung finden werde. Dies wird in der örtlichen Zeitung online veröffentlicht und liegt innerhalb von wenigen Stunden als Beschwerde bei unserem Geschäftsführer und dem Justizministerium. Kritische Worte über die Polizei hatte ich nicht einmal formuliert.
Die Ausgrenzung meiner Klienten macht bei ihnen selbst nicht Halt. Es scheint so zu sein, dass im Grunde jeder, der ihnen auch nur freundlich oder verständnisvoll nahekommt, mit einem Bann belegt und an den Pranger gestellt wird.
Der Dokumentarfilm „Auf Teufel komm raus“ beschreibt die Situation eines Mannes, der lange Zeit von der Polizei überwacht wird und in dem die aggressive Abwehr der Bevölkerung im Ort zum Ausdruck kommt. Dort geschieht Ähnliches. Der Bruder des Mannes, der ihn bei sich in der Familie aufgenommen hat, bekommt deshalb Schwierigkeiten mit dem Jugendamt. Plötzlich beginnt man an der Erziehungsfähigkeit der Familie zu zweifeln. Und nicht nur sie allein ist betroffen, auch Frauen aus dem Ort, die sich nach einiger Zeit zu einem Kontakt mit dem observierten Mann entschließen, machen dieselbe Erfahrung. 56
Und auch im Fall der Klienten, die von Freiburg weggezogen sind und deren Situation durch eine Pogromstimmung im Dorf 57 unerträglich wird, werden andere Beteiligte mit angegriffen. Ihr Vermieter und dessen Frau werden angegangen, als hätten sie selbst ein Verbrechen begangen.
Ein Jahr nach der Entlassung von Gerhard Kraus und Ludwig Roser kann ich ein ambivalentes Resümee ziehen:
Richte ich meinen Blick auf die Klienten, sehe ich Männer mit schwierigen, außergewöhnlichen Lebensgeschichten. Sie haben schwere Straftaten begangen und dafür hart gebüßt; das Schwert der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung hat sie getroffen. Ob sie zu ihren Taten standen, Therapiebereitschaft zeigten oder nicht, kooperierten oder nicht, spielte ab einem gewissen Punkt keine
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