Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Asprion
Vom Netzwerk:
ich für falsch. Was den Strafvollzug angeht, hat seine bisherige Geschichte und Entwicklung gezeigt, dass seine strukturellen Bedingungen Fehlleistungen erzeugen, die nicht durch individuelle Fehler bedingt sind. Eindrücklich beschrieben hat das Erving Goffman in seiner Untersuchung „Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen“. 64 Er beschreibt den Einfluss, den die Struktur der von ihm als „Totale Institution“ bezeichneten Einrichtungen auf Insassen, aber auch auf die Mitarbeiter hat. Dies kann bei den Insassen Identitätsstörungen bewirken, bis hin zum Erleiden des „sozialen, bürgerlichen Tods“. Einem therapeutischen Ansatz oder einer Behandlungsorientierung wirken solche Mechanismen diametral entgegen. Dementsprechend sind auch die fachlichen Analysen über die Entwicklung und Möglichkeiten des Strafvollzugs deprimierend. Dünkel und Maelicke konstatieren denn auch in einem Thesenpapier: „Ein umfassender Behandlungs- bzw. Resozialisierungsvollzug i. S.d. Strafvollzugsgesetzes ist in Deutschland – abgesehen von einzelnen sozialtherapeutischen Experimenten – nicht verwirklicht worden.“ 65
    Dass die strukturellen Bedingungen eines Gefängnisses die beteiligten Personen beeinflussen und sie zu Handlungen bewegen können, die sie außerhalb dieses absurden Systemsnicht ausführen, sondern sogar verurteilen würden, hat der Psychologe Philip Zimbardo in einem Experiment aufgezeigt. Eine Gruppe Männer, die zuvor als psychisch unauffällige, durchschnittliche Bürger diagnostiziert war, wurde in ein künstliches Gefängnis verbracht und nach Zufallsprinzip in Gefangene und Aufsichtspersonal eingeteilt. Es entwickelten sich bei „ganz normalen Männern“ Situationen und Verhaltensweisen, die von sadistischen Impulsen bis zu regressivem Rückfall in kindliches Verhalten reichten. Das Experiment musste vorzeitig abgebrochen werden. Mario Giordano hat diesen Stoff in einem Roman verarbeitet, der vom Regisseur Oliver Hirschbiegel verfilmt wurde. Und auch wenn Filme nur Fiktion sind, zeigt Hirschbiegel in beeindruckenden Szenen erschreckende Dynamiken, die Menschen in solchen geschlossenen Systemen entwickeln können. Die im Film dargestellte Brutalität kennt der deutsche Strafvollzug nicht, was aber in erster Linie daran liegen dürfte, dass Vorschriften und öffentliche Kontrollmechanismen so etwas verhindern. Dennoch sind Kräfte im Hintergrund vorhanden, die eine negative Dynamik auslösen können, auch wenn sie so, wie im Film gezeigt, nicht ausgelebt werden.
    Die Statistiken über Rückfälle nach Inhaftierung liefern ein deprimierendes Bild. Im 2. Periodischen Sicherheitsbericht 66 , den die Bundesregierung von namhaften Kriminologen 2006 erarbeiten ließ, heißt es: „Je härter die verhängte Sanktion, desto höher sind die Rückfallraten; am höchsten sind sie nach bedingter und unbedingter Jugendstrafe, vollstreckter Freiheitsstrafe sowie nach Jugendarrest.“ Und weiter zeige „dieser Befund, dass die härtere Sanktionierung nicht geeignet ist, ein bei schwereren Delikten angenommenes höheres Rückfallrisiko zu kompensieren.“
    Offensichtlich kann es der Strafvollzug nicht leisten, Behandlung oder Therapie durchzuführen. Er kann bestrafen und einsperren.
    Als Gesellschaft werden wir hoffentlich einmal zur Erkenntnis kommen, dass Institutionen, die ihr Ziel nicht erreichen, nicht weiter mit einem so enormen Aufwand betrieben werden dürfen, wie wir heutzutage noch Gefängnisse unterhalten. So wie wir die Leibesstrafen früherer Zeiten oder anderer Kulturen als unzivilisiert empfinden, könnte eine uns nachfolgende Gesellschaft zum Schluss kommen, dass Menschen nicht in Gefängnissen „gehalten“ werden dürfen. Die Konsequenz dieser Einsicht wäre deren Abschaffung.

Was sind die Alternativen?
    Wenn wir nach Alternativen für den Umgang mit den beschriebenen Tätern suchen, werden wir uns der Aufforderung nach mehr „Fragen und Offenheit für neue Denkansätze ohne verzweifeltes Festhalten am Bestehenden nicht verschließen dürfen“ (Nils Christie). Das Denkgerüst zur Entwicklung solcher Alternativen hat Thomas Mathiesen mit seinem Konzept vom „Unfertigen“ erarbeitet. 67 Er betont, dass eine Alternative nie fertig sein darf, dass sie immer die Balance suchen muss zwischen einer Anschlussfähigkeit an Bestehendes und der Fremdheit des Neuen. Nur so wird eine Alternative akzeptiert werden.
    So theoretisch und abstrakt müssen

Weitere Kostenlose Bücher