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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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anderes erwarten?« »Es ist genau so, wie die anderen Redner gesagt haben …«
    »Nein, nein!«, schrie die Frau jetzt. Sie bahnte sich einen Weg zur Bühne. Als sie die Reihe der Sicherheitsleute erreichte, hoben diese nervös die Schultern, sahen zu dem Kameramann hinüber und ließen sie passieren. Mit einigen Schwierigkeiten erklomm sie den Rand der Bühne und nahm ein freies Mikrofon aus einer Halterung.
    »Ich heiße Aileen Mootispaw«, sagte sie, »und ich möchte Ihnen sagen, dass der Junge den Quilt nicht gestohlen hat. Er war ein Geschenk meines Vaters, als er glaubte, bald sterben zu müssen. Als er glaubte, niemals wieder gutmachen zu können, dass er ein drittes Kind verraten hatte, um für seine eigene Familie Essen zu beschaffen – Essen, das die Bevölkerungspolizei niemals ausgehändigt hat.«
    Schlagartig wurde Luke klar, dass sie von Eli sprach – Eli, der ihm den Quilt gegeben und dabei gemurmelt hatte: »Den hier hat Aileen gemacht …«
    »Mein Vater ist nicht gestorben«, fuhr Aileen fort. »Als wir vor zwei Tagen den Jungen mit dem Quilt im Fernsehen sahen, schickte mich mein Vater hierher, um sicherzustellen, dass es ihm gut geht. Ich spreche hier also an Stelle meines Vaters und des gesamten Dorfes – und im Gedenken an das dritte Kind, das wir verraten haben. Lasst den Jungen seine Geschichte erzählen!«
    »Ich …«, begann Philip Twinings.
    Doch nun drängten sich auch andere zur Bühne vor und riefen: »Lasst ihn reden! Lasst ihn reden!« Luke meinte Ricky, Don und einige andere wiederzuerkennen, die an jenem ersten Abend mit ihm auf dem Lastwagen hergekommen waren, um den Sturz der Bevölkerungspolizei zu feiern. Eine der Frauen erinnerte ihn an die alte Dame in Chiutza, die zu ihm gesagt hatte: »Ich habe eine Wahl.« Die anderen jedoch waren Fremde, Menschen, denen er mit Sicherheit noch nie im Leben begegnet war.
    Luke konnte nicht einschätzen, wie viel Prozent der Leute inzwischen vorne stand und ihn in Sprechchören unterstützte. Er hatte keine Ahnung, wie das Größenverhältnis zwischen den Skandierenden und jenen aussah, die wütend und mit versteinerten Gesichtern dahinter standen. Und er vermochte nicht abzuschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass er gegen irgendjemanden gewinnen konnte.
    Aber er glaubte eine Chance zu haben.
    Philip Twinings hatte die Hand gehoben und versuchte, die Menge unter Kontrolle zu bekommen.
    »Hier stimmt tatsächlich einiges nicht«, murmelte er, als er die Aufmerksamkeit der Leute wiedergewonnen hatte. »Meine Absicht war es, dass es hier ruhig und geordnet zugeht; ich wollte die Menschen ermutigen, offen und ohne Furcht zu reden. Aber …« Er sah zu dem Tisch, von dem die drei Mitglieder des Befragungskomitees finster zu ihm herüberstarrten. »Ich fürchte, die Ordnungsregeln wurden zu restriktiv ausgelegt. Man hat mich schon einmal hereingelegt, als die Hungersnöte und die Trockenheit einsetzten und die Regierung das Nachrichtenwesen meines Senders zu kontrollieren begann – um Panik zu vermeiden, wie es hieß …« Er schien sich für einen Moment in Erinnerungen zu verlieren. Doch dann schüttelte er den Kopf und seine alten Augen wurden wieder klar.
    »Wir werden den jungen Mann sprechen lassen«, sagte er.
    Luke trat an den Rand der Bühne. Die wartende Menge war immer noch ein furchterregender Anblick und ihm wurde der Mund trocken.
    »Ich bin nur ein Junge«, sagte er in dem Versuch, sich zu entschuldigen, zu erklären, warum er keinen großen Vortrag halten würde und warum er nicht der Beste war, um für die Sache der dritten Kinder einzutreten. Doch dann sah er, dass einige Leute in der Menge bei seinen Worten ein nachdenkliches Gesicht machten.
    »Wirklich«, fuhr er fort. »Ich bin nicht anders als andere Kinder auch. Ich mag Fußball und Baseball und überhaupt jede Art von Sport. Und ich sitze nicht gern im Haus herum. Dritte Kinder sind weder Tiere, noch Monster oder Teufel. Wir sind einfach nur … als Dritte zur Welt gekommen.«
    Das Reden war gar nicht so schwer, solange Luke einfach weitermachte. Nur wenn er eine Pause einlegte, um Luft zu holen oder seine Gedanken zu sammeln, hatte er das Gefühl, von den Augen der Leute durchbohrt zu werden. Er schluckte und zwang sich fortzufahren.
    »Als ich geboren wurde, war ich für meine Eltern ein Wunder, ein ganz besonderer Segen. Ein Geschenk. Aber sie mussten mich von Anfang an verstecken. Sie glaubten, das Bevölkerungsgesetz würde irgendwann aufgehoben

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