Gefaehrliche Gefuehle
toll aus in seinem schwarzen Anzug. Aber der Hammer war meine Mutter in ihrem grauen hautengen L’Wren-Scott-Kleid. Sie hatte die Haare hochgesteckt und sah mit ihrem dezenten Make-up einfach unglaublich schön aus, und zwar auf natürliche Art und nicht auf Pfundweise-Schminke-Brechstangenweise. Sie war einfach die Königin des stilvollen Understatements.
»Antje, du siehst bezaubernd aus«, sagte mein Vater bewundernd. Und dann sah er von ihr zu mir und sagte: »Ich bin wahrhaft ein glücklicher Mann mit zwei so wunderschönen Frauen an meiner Seite.« Er half meiner Mutter in den Mantel und küsste sie zärtlich. Enzo kam aus dem Aufenthaltsraum, pünktlich zur Abfahrt. Ich freute mich, ihn zu sehen, und konnte mir mein Schmetterlingshirn-Grinsen nur mit Mühe verkneifen. Enzo hingegen blieb ganz cool. Er vermied sogar den Blickkontakt mit mir, als er fragte: »Mit welchem Auto möchten Sie fahren, Herr Sander?«
Mein Vater gab zurück: »In welchem Auto würden Sie eine schöne Frau fahren?«
Enzo lächelte knapp und verschwand nach draußen. Spätestens am Wochenende würde ich meinen Eltern die Sache mit Enzo erklären. Das konnte so nicht weitergehen! Die ganze Fahrt über konnte ich kaum den Blick von Enzos Hinterkopf und seinen weichen Stoppelhaaren wenden, während in meinem Kopf der Film Endlich offiziell verliebt in Enzo lief.
»Justus kommt doch auch, oder?«, unterbrach meine Mutter mein fantastisches Kinovergnügen. Ach du meine Güte! Da hatte ich ja überhaupt nicht dran gedacht!
»Seine Mutter arbeitet doch auch im Kinderkrankenhaus«, sagte ich ausweichend, um nicht zugeben zu müssen, dass ich gar nicht mit ihm darüber gesprochen hatte. Meine Mutter drückte aufgeregt meine Hand und zwinkerte mir zu. Das konnte ja heiter werden. Silvy. Das Marc-Jacobs-Kleid. Justus. Enzo. Meine Eltern. Achthundertsiebzig Facebook-Freundschaften zu pflegen, wäre ein Kinderspiel dagegen!
Wir fuhren durch das große Tor über den Kiesweg auf die Villa der Kerns zu. Es war ein zweistöckiges Haus im Toskana-Stil, erdfarbene Fassade, hohe Sprossenfenster, Efeuranken an einer Seite, hohe, schlanke Tannen im Garten. Palmen umrahmten den Parkplatz am Haus. Hinten hatten sie einen Pool und einen Gartenpavillon. In besseren Zeiten (bevor ich erfahren hatte, wie meine angeblich beste Freundin in Wirklichkeit drauf ist) hatte ich mit Silvy, Lola und Marie so manchen Sommertag damit verbracht, am Pool zu chillen. Wobei ich ja nicht so ein Abhänger bin. Ich kann einfach nicht so lange untätig auf einem Liegestuhl rumschimmeln. Ich hatte dann mit Silvys kleiner Schwester Vera vom Sprungbrett ein paar feine Arschbombenwettbewerbe ausgetragen und das Kreischen der anderen drei, wenn sie nass gespritzt wurden, war unser Gradmesser, wer gewonnen hatte. Vera hatte in Sachen Arschbomben übrigens ein erstaunliches Talent an den Tag gelegt. Aber vermutlich war ihre Motivation, Silvy zu ärgern, einfach größer gewesen. Die beiden pflegten nämlich eine herzliche Abneigung gegeneinander.
Als wir auf dem Parkplatz ankamen, brauste vor uns ein schwarzer amerikanischer Oldtimer zur Seite, dass der Kies nur so spritzte. »Heyho«, entfuhr es Enzo und wich dem Auto aus. »Immer langsam mit den jungen Pferden.«
»Das ist ja ein tolles Auto«, bemerkte mein Vater.
»Das ist ein Chevrolet Impala«, warf ich von hinten ein. Enzo schaute mich über den Rückspiegel an und zog erstaunt die Augenbraue hoch. Auch mein Vater drehte sich verblüfft zu mir um.
»So eines fahren die Winchester-Brüder in der Serie Supernatural«, erklärte ich.
»Oh ha!« Mein Vater lachte. »Meine Tochter ist nicht nur schön, sondern dank einschlägiger Fernsehserien auch noch gebildet.«
Der Chevrolet parkte neben unserem Mercedes. Auf der Fahrerseite prangte ein großer runder Aufkleber mit dem Logo von Veras Vlog. Silvys kleine Schwester betrieb nämlich seit einem Jahr einen äußerst erfolgreichen Video-Blog und hatte vor Kurzem sogar angefangen, Merchandising-Produkte zu verkaufen. Den Erfolg ihres Vlogs hatte sie zum großen Teil Silvy zu verdanken, die aus reiner Boshaftigkeit Vera den Spitznamen verpasst hatte, unter dem sie jetzt den Vlog betrieb. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass Vera es überhaupt nicht als Beleidigung auffassen würde, als Silvy bei einem Abendessen triumphierend verkündet hatte: »Ich bin das It-Girl der Familie und Vera ist das Shit-Girl.« Vera hatte gelacht, dass ihr die Fanta aus der Nase schoss, und sich
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