Gefaehrliche Gefuehle
in Trance an und fragte: »Kennen Sie eigentlich Aziza Boussaidi?«
»Na klar«, sagte er. »Ich bin ihr Cousin. Warum?«
»Ach, ich bin mit ihr an der Uni, habe sie aber schon länger nicht gesehen. Wo steckt sie denn?«
»Meine liebe Cousine hält mich da leider nicht immer auf dem Laufenden«, sagte er. »Also, kann ich Ihnen schon mal was zu trinken bringen?«
»Ich habe noch was von ihr, ein … äh … Buch. Über Makroökonomie. Das wollte sie dringend wiederhaben. Wo kann ich das abgeben?
»Einfach hier bei mir. Ich leite es weiter.« Er lächelte unverwandt freundlich.
»Wo wohnt Aziza eigentlich?«, fragte ich weiter. Enzo trat mich unter dem Tisch.
»Bei uns im Haus«, antwortete der Kellner ausweichend und langsam bekam seine Freundlichkeit erste Anzeichen von Anstrengung.
»Wir nehmen zwei Cola und zweimal Meeresfrüchte-Couscous«, sagte Enzo schnell und drückte dem Kellner die Speisekarte in die Hand.
»Was sollte das denn?«, zischte ich Enzo zu, als Azizas Cousin mit unserer Bestellung verschwunden war. »Er war kurz davor, mir die Adresse zu verraten.«
»Blödsinn. Er hätte sie dir nie gesagt!«
»Doch.«
»Nein.«
»Doch.«
Enzo seufzte. »Ich habe eine bessere Idee.«
»Welche denn?«
»Morgen gebe ich dir die Adresse.«
»Aber wie willst du die rauskriegen?«
»Berufsgeheimnis.«
»Willst du den Kellner verfolgen?«
»Nein.«
»Willst du so lange vor dem Restaurant warten, bis Aziza auftaucht, und sie verfolgen?«
»Nein.«
»Was denn dann? Mach nicht so einen auf geheimnisvoll. Verrat es mir!«
»Du lässt nicht locker, oder?«
»Nein.« Ich lächelte ihn verführerisch an. Hoffte ich jedenfalls.
»Okay.« Er lachte. »Ich habe immer noch einen guten Kumpel bei der Polizei. Den werde ich bitten, mir die Adresse rauszusuchen.«
»Du bist ein Schatz«, sagte ich vergnügt. Den Rest des Essens verbrachten wir mit friedlichem Plaudern und ohne weitere Verhörattacken auf den Kellner. Nur als es um die Rechnung ging, musste Enzo natürlich noch mal aufmucken, weil er unbedingt zahlen wollte.
»Nix da«, sagte ich. »Immerhin habe ich dich als meinen Bodyguard hierher gezwungen.« Das überzeugte ihn schließlich und er ließ zu, dass ich meine Kreditkarte auf das Bronzetellerchen mit der Rechnung legte.
9
A m nächsten Tag gab mir Enzo tatsächlich die Adresse von Aziza Boussaidis Familie. »Aber nur unter einer Bedingung«, sagte er. »Du machst keinen Blödsinn dort.«
»Niemals. Du weißt doch, dass du dich total auf mich verlassen kannst.«
Natürlich durfte ich diese Sache nicht vermasseln. Das könnte ein höchst explosives Pulverfass sein. Und ich hatte auch schon eine wirklich grandiose Idee, wie ich das verhindern würde. Nach der Schule setzte ich mich an den Computer und machte eine lebenswichtige Bestellung, die ich mir per Express liefern lassen würde. Gerade wollte ich zufrieden meinen Computer ausschalten, da bekam ich eine E-Mail. Absender: DiefabelhafteSilvy95. Ein Blitz durchfuhr mich. Aha, dachte ich. Was will denn die ganz und gar nicht fabelhafte Silvy so kurz vor unserem Wiedersehen von mir? Das konnte nichts Gutes sein, so viel war klar.
Hey Schnucki. Übrigens, das ziehe ich heute Abend an.
Ich öffnete das angehängte Foto.
»Nein! Das kann nicht sein«, rief ich und sprang entrüstet auf. Es war mein Marc-Jacobs-Kleid. Mist! Auch wenn ich mit ihr nichts mehr zu tun hatte, kannte sie mich ja leider immer noch viel zu gut. Und mir fiel ein, dass wir tatsächlich über das Kleid gesprochen hatten, damals, als wir noch beste Freundinnen gewesen waren. Damals, vor zwei Monaten. Dieses Biest! Das hatte sie nur gemacht, um mir eins reinzuwürgen. Und mich zu verunsichern. Um ihr Terrain abzustecken. Um mich kleinzukriegen. Jaja. Meine liebe ex-beste Freundin zögerte nicht eine Sekunde, auch weiterhin ihr Gift zu verspritzen. Ich setzte mich wieder an den Computer und schrieb zurück: Was für ein Zufall. Das gleiche Kleid ziehe ich auch an! Wie schön! Dann sind wir ja im Partnerlook!
Wenn sie geglaubt hatte, dass ich ihr kampflos das Feld überlassen würde, dann kannte sie mich offenbar nicht gut genug. Ich musste grinsen bei der Vorstellung, wie sie jetzt ins Rotieren kam. Sie würde garantiert alles geben, um besser auszusehen als ich. Dazu kannte ich sie eben auch nur zu gut.
Mein Vater war wieder da, noch angespannt, aber guter Dinge. »Ich habe alles getan, was notwendig war. Jetzt können wir nur noch abwarten«, sagte er. Er sah
Weitere Kostenlose Bücher