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Gefaehrliche Gefuehle

Gefaehrliche Gefuehle

Titel: Gefaehrliche Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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verbreiten sollten. Elegant gekleidete Menschen plauderten gediegen miteinander, Kellner mit langen weißen Schürzen liefen mit Tabletts voll Champagner und Häppchen herum. Gerade machte einer den Blick frei zu Enzo, der am Eingang an einem Stehtisch stand, neben einem anderen jungen Mann, an dessen ungerührter Miene ich ablesen konnte, dass er aus einem ähnlichen beruflichen Grund hier zu sein schien wie Enzo. Frau Dr. Kern redete immer noch auf meinen Vater ein, während Wöbke abseits telefonierte. Ich ließ meinen Blick schweifen und entdeckte Silvy, wie immer eingerahmt von ihren Freundinnen Lola und Marie. Sie hatte mich noch nicht gesehen, weil sie mit ihren Augen an David Wöbke klebte. Das gab mir Zeit für ein kurzes Check and Classify.
    Marie trug ein knielanges dunkelgrünes Spaghettiträgerkleid, unter dem die Schlüsselbeine so weit hervorstanden wie die Haltegriffe im Bus. Ein schlichtes, tailliertes Etuikleid hätte ihr bei ihrer mittlerweile ziemlich abgemagerten Figur weitaus besser gestanden. Ihre Haare trug sie hochgesteckt, was das Ganze noch unvorteilhafter wirken ließ. Sie blickte gelangweilt in die Runde. Lola wirkte neben ihr wie ein dusseliger Teenager. Was sie ja auch war. Das sah man schon an den Klamotten. Ihre eher üppige Figur hatte sie in ein feuerlöscherrotes Paillettenkleid gequetscht, ihre Handtasche in Form eines Plüschhundes wie eine Schärpe umgehängt. Ihre fleischige Unterlippe hing wie immer ein bisschen hinunter, als wäre sie ausgeleiert. Dadurch stand ihr Mund permanent offen und ließ Lola ungefähr so dämlich wirken, wie sie auch war. Vielleicht hatte sie als Kind Akkord in einer Briefmarkenanleckerei arbeiten müssen.
    Ein sehr hübsches Trio: die Präsidentin der Spaßbremsen, Miss Babyspeck und Gräfin von und zu Niedertracht.
    »Siiiilvyyy!«, rief da ihre Mutter plötzlich und winkte ihre Tochter heran. »Sieh mal, wer hier ist!«
    Und dann kam sie. Straffe Schultern, hochgerecktes Kinn. Sie feuerte Blitze aus ihren Augen. Und ich? Ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht loszuprusten. Silvy hatte wirklich alles gegeben, um das Kleid anders zu interpretieren als ich. Sie hatte es mit einem roten Lackgürtel, roten Pumps und – Achtung! Augen zu, jetzt wird es schlimm! – einer weißen Nylonstrumpfhose kombiniert. Die Haare waren viel heller als bei unserem letzten Treffen (von Weizenblond zu Hellblond, man könnte auch sagen, meine Haarfarbe) und zu dicken Locken aufgedreht. Dazu ein knallroter Lippenstift.
    »Da weiß man ja gar nicht, wo man hingucken soll«, begrüßte ich Silvy. »So viel schöne Accessoires!«
    »Das Kleid muss man eben ein bisschen aufpeppen«, gab Silvy spitz zurück. »Sonst ist es doch zu langweilig.« Mitleidig ließ sie den Blick über mich schweifen. Ich trug hautfarbene Nylons und die schwarzen Sergio-Rossi-Stiefeletten. Die Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz gebunden und – dank Haarkissen – endlich eine schönes Volumen am Hinterkopf. Zartrosa Lipgloss, Wimperntusche und fertig.
    »Ist das nicht süß? Fast wie Schwestern«, säuselte Frau Dr. Kern meiner Mutter zu, als sie uns beide betrachtete.
    »Ja, wirklich«, antwortete meine Mutter. »Fast wie Schwestern.« Ihre Miene war undurchdringlich, aber natürlich wusste ich, was sie von Silvys Accessoire-Desaster hielt. Meine Mutter war nämlich, wenn man von ihren Bananen-Molke-Drinks am Morgen absah, eine Frau mit Geschmack.
    »Nun, ich habe mit Nataschas Eltern noch einiges zu besprechen, also husch, husch! Geht euch amüsieren, Mädchen«, scheuchte uns Frau Dr. Kern weg. Amüsieren! In einem Bootcamp für Schwererziehbare würde ich mich besser amüsieren als mit Silvy und ihren Freundinnen.
    »War ja klar, dass ich dich jetzt auch noch unterhalten muss«, fing Silvy auch direkt an.
    »Ach, ich dachte, es wäre umgekehrt!«, gab ich zurück. Wenn ich mich schon meinen Eltern zuliebe zu Silvy und Anhang stellen musste, dann doch wenigstens auf Silvys Kosten. Sie stolzierte vor mir her und versuchte, auf ihren roten Pumps wie ein Model zu gehen, schwankte dabei aber eher wie ein besoffenes Lama. Nun nahm ich die beiden anderen ins Visier.
    »Hallo!«, zirpte Marie durch ihren fast geschlossenen Mund und schaffte es, sehr ungerührt zu wirken.
    »Hi Natascha«, sagte Lola und lächelte mich mit ihrer schweren Unterlippe und ihrem offen liegenden Unterkiefer an. Sie hielt ein Glas Champagner in der Hand. Wer weiß, wie viele sie schon intus hatte.
    »Hallo«,

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