Gefaehrliche Gefuehle
Was für eine Schleuder! Da kommt man wirklich schnell auf Touren.« Sie kicherte anzüglich.
»Willst du es nicht etwas langsamer angehen lassen?«, fragte ich.
»Ach was. Romantisch können wir immer noch werden, wenn wir den ersten Preis gewonnen haben und nach Rom fahren!«
»Die Konkurrenz ist natürlich hart«, sagte ich. »Guck mal da drüben. Ist das Astrid Lutz, die als Grüffelo verkleidet ist?«
»Meinst du diesen hässlichen Bär?«, fragte Kim. »Pfui. Also wirklich, in der Kategorie Unsexy könnt ihr beide wirklich konkurrieren! Oh. Mein. Gott«, stöhnte sie plötzlich. »Mir wird schlecht.«
Es war Jennifer, die sie erblickt hatte. Wie ein Racheengel sah sie aus in ihrer silbern-schwarz glänzenden Lederrüstung mit weit schwingendem Rock, hochhackigen Overknees und einem Gummidolch im Gürtel. Neben ihr ein junger Mann mit vollem gewellten blonden Haar, ebenfalls in Kampfmontur aus Metall und schwarzem Leder. Wenn das nicht ein Drachenreiter und seine Elfe waren, Eragon und Arya. Jennifer setzte ein arrogantes Lächeln auf und kam auf uns zu, ihr Begleiter folgte ihr.
»Hallo Jennifer«, rief Kim ihr entgegen. »Wo hast du denn deine Verkleidung her? Aus dem Domina-Shop?« Sie lachte gehässig. Aber Jennifer blieb ungerührt. »Auf jeden Fall nicht aus dem Nuttenshop wie du«, gab sie zurück und guckte demonstrativ an Kim hoch und runter.
»Das ist doch wohl die Höhe«, schnaubte Kim und ließ eine Schimpftirade los. Die beiden fingen an, sich zu kabbeln. Eragon verzog das Gesicht. »Keine Sorge«, sagte ich. »Das ist normal.«
»Ach ja?«, sagte Eragon amüsiert. »Nur für die beiden oder zicken hier alle so rum?«
»Mal so, mal so«, sagte ich ausweichend. Irgendwie kam mir Eragon total bekannt vor. Also, nicht die Filmfigur, sondern der Mann in dem Kostüm.
»Als Mann bekommt man ja so selten Einblick in eine Mädchenschule«, sagte er. »Dabei fragt man sich immer, was da so abgeht. Macht ihr auch Kissenschlachten in Unterwäsche?«
»Das ist eher was aus der Abteilung Filmklischees.«
»Ich bin übrigens Tobias«, stellte sich Eragon vor.
»Natascha.«
»Natascha Sander?«, fragte er.
Ich nickte verwundert. »Kennen wir uns?«
»Jennifer hat mir von dir erzählt«, sagte er schnell.
»Ach ja?«
Jennifer bemerkte, dass ich mit ihrem Freund sprach, und hakte sich schnell bei ihm unter. Klassische Reviermarkierung. Woher kam er mir bloß so bekannt vor?
»Meinen Freund kennst du ja jetzt schon«, sagte Jennifer hölzern und tat so, als ob ich zu weit gegangen war.
»Ja. Und wo habt ihr beide euch kennengelernt?«, fragte ich.
»Er ist mir zugelaufen auf der Straße vor der Schule«, kicherte Jennifer. »Er hat seinen Hund ausgeführt. Total süß! Ein Dalmatiner! Erst drei Monate alt!«
Tobias grinste. »Beste Möglichkeit, um Mädels aufzureißen«, sagte er und zwinkerte erst Jennifer zu, dann mir. Jennifer entging das natürlich nicht. »Und Natascha?«, fragte sie etwas zu schrill. »Du hast dir ja wirklich ein schönes Kostüm ausgesucht. Schön scheußlich.«
»Ist super, was?«
»Na ja, zu dir passt es«, ätzte sie und zog dann Tobias davon, um ihn wie eine Trophäe herumzuzeigen. Als er mir zurief: »Bis später«, ruckte sie an seinem Arm. Eifersucht Stadium II, würde ich mal sagen. Und dann kam Justus. Mit Christina. Als Hänsel und Gretel. Hand in Hand. Er hatte schwarze kurze Hosen an, ein kariertes Hemd und rote Kniestrümpfe. Sie trug ein Kleid mit demselben Karomuster und lange blonde Zöpfe. Um den Hals hatten sie zuckerguss-verzierte Lebkuchenstücke in Form einer Hexe hängen. Die beiden waren so süß, dass ich fast Zahnschmerzen bekam. Justus drängelte sich an zwei Holly Golightlys vorbei, die gerade ihre Kostüme miteinander verglichen, und kam grinsend auf mich zu.
»Hey Miss Marple«, rief er. »Du siehst ja wirklich fantastisch aus!« Er schaute begeistert an mir hoch und runter.
»Endlich einer, der mich erkennt«, brummte ich.
»Was gibt’s denn da nicht zu erkennen! Du siehst superklasse aus! Und dieses Ding!« Er zeigte auf das Doppelkinn. »Das ist wirklich sensationell. Du bist Margaret Rutherford wie aus dem Gesicht geschnitten.« Er lachte schallend und plötzlich dachte ich, vielleicht wäre es doch besser gewesen, irgendwas anzuziehen, was wenigstens einigermaßen gut aussah. Als dicke alte englische Lady fühlte ich mich neben der brandneuen und hübschen Freundin von Justus ziemlich unwohl. Aber sie lächelte mich freundlich an.
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