Gefaehrliche Gefuehle
Parkplatz, checkte den Haupteingang und den Westeingang. Aber nirgendwo auch nur eine Spur von Bastian oder der Polizei. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Ich hätte jetzt auch tot auf dem Asphalt liegen können, während er sicher in seinem Versteck hockte und kiffte oder was auch immer er da tat. Nicht zu fassen! Mein Bruder war wirklich so ein Penner! Dieses Arschloch hatte mich tatsächlich im Stich gelassen!
Ich rief Enzo an, dessen Erleichterung ich durch das Telefon spüren konnte. Er hatte trotz meiner Ermahnung, es nicht zu tun, gewendet und war auf dem Weg zurück.
»Geht’s dir wirklich gut?«, fragte er.
»Ja, hat alles geklappt. Du kannst beruhigt nach Hamburg fahren.«
»Ehrlich?«
»Absolut. Ich möchte nicht, dass du noch mal wegen mir einen Job verlierst.«
»Also gut«, sagte er erleichtert. Ich versprach ihm, mich den Rest des Wochenendes ruhig zu verhalten, und wir verabredeten uns für morgen, bevor wir uns verabschiedeten. Auf dem Weg nach Hause schickte ich Bastian eine E-Mail.
Übergabe geglückt. Wo bist du?
Am Nachmittag rief er dann tatsächlich an. Seine Stimme klang verschlafen. »Sorry, Nats, hab es vorhin nicht geschafft«, sagte er lapidar. »Mein Auto ist nicht angesprungen und dann war es schon halb elf und da habe ich gedacht, ich komme eh zu spät.«
»Ich habe mich auf dich verlassen, Bastian«, knurrte ich.
»Hättest du eben früher anrufen müssen«, sagte er. »Dann hätte ich wenigstens Zeit gehabt, mich vorzubereiten. Und dann hätten wir uns auch einen besseren Plan ausdenken können, ohne die Polizei.«
»Ich dich anrufen? Wie denn, bitte schön?! Aber natürlich, Bastian. Das nächste Mal, wenn ich deine Schulden bei der Russenmafia bezahle, dann schicke ich dir eine schriftliche Einladung zwei Wochen im Voraus. Wäre dir das angenehm?«
»Brauchst gar nicht so schnippisch zu werden.«
Ich schnaubte vor Empörung. »Und wenn er mich umgebracht hätte?«
»Übertreib mal nicht, die haben doch gekriegt, was sie wollten.«
»Du bist so ein Arsch, Bastian.«
»Mann, jetzt stell dich nicht so an! Ist doch alles gut gegangen!«
Ich schloss die Augen und atmete tief ein und aus. »Ja, Bastian, das ist es. Und jetzt musst du wieder nach Hause kommen.«
Er schwieg. Deswegen sagte ich mit Nachdruck: »Entweder du kommst von alleine oder ich sage Paps, dass du dich in irgendeiner WG von deinen Kumpels versteckst. Wie lange, meinst du, braucht der Privatdetektiv, den Mama schon vor zwei Wochen engagieren wollte, um dich zu finden?«
»Verfluchter Mist«, maulte er. »Einen Privatdetektiv will sie mir auf den Hals hetzen?«
»Sie macht sich Sorgen«, sagte ich. »Und ich übrigens auch. Also, komm nach Hause.«
Er blieb wieder stumm.
»Bastian, ich habe auch rausgefunden, wo Aziza ist.«
»Ach ja?« Seine Stimme klang bitter. »Schön für dich.«
»Ich weiß, dass sie Schluss gemacht hat.«
»Nach allem, was ich für sie getan habe«, knurrte er, »lässt sie mich einfach sitzen.«
»Das tut mir leid für dich«, sagte ich. »Aber wenn du morgen nicht nach Hause kommst, dann erzähle ich unseren Eltern alles. Und ich meine alles, hast du mich verstanden?«
»Schon gut. Ich komme«, brummte er und legte auf.
Gut. Punkt 1: Mein Bruder war ein Penner und das nächste Mal müsste er die Suppe selbst auslöffeln, die er sich eingebrockt hatte. Punkt 2: Ich hatte wirklich keine schlechte Arbeit geleistet. Die Tasche war zurück bei ihrem Besitzer, die Angelegenheit erledigt. Ich hatte das dringende Gefühl, dass ich eine Belohnung verdient hätte, und machte das vierzehnte Päckchen von Justus’ Adventskalender auf. Es war wieder ein zusammengerollter Zettel. Aha, was zu lachen, dachte ich und rollte ihn auseinander. Aber es war ein Gedicht. Ich dachte zuerst, das sei ein Scherz, weil Justus wusste, dass ich mit Lyrik auf dem Kriegsfuß stand. Aber dann las ich:
Die Liebste gab mir einen Zweig/Mit gelbem Laub daran.
Das Jahr, es geht zu Ende/Die Liebe fängt erst an.
Bertolt Brecht
Ich atmete tief durch und betrachtete eine ganze Weile die Regentropfen, die an meiner Fensterscheibe ein Wettrennen veranstalteten. Dann griff ich zum Telefon und rief Justus an.
»Hey«, sagte ich, als er sich meldete.
»Hey Nats. Na, wie sieht es aus?«
»Ach, ich dachte, ich rufe dich mal an.«
»Das ist gut.«
»Danke noch mal für den Adventskalender. Er ist wirklich toll.«
»Gern geschehen«, sagte er.
»Und, was macht Elvis, euer Waschbär?«
»Seitdem wir
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