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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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denselben: Jemand trägt etwas in den Händen und kommt auf mich zu und sagt: >Hier, Sie haben etwas vergessen.< Ich war sehr glücklich mit dir. Es hat mir nie an etwas gefehlt, und ich hatte nie einen Grund zur Klage. Und trotzdem verfolgt mich etwas. Ich wache mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Was ich weggeworfen habe, verfolgt mich. Du glaubst, du seist der einzige Gehetzte, aber du irrst dich. Du bist nicht der einzige, der etwas weggeworfen, etwas verloren hat. Verstehst du, was ich sage?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich.
    »Vielleicht wirst du mir wieder weh tun. Ich weiß nicht, wie ich dann reagieren werde. Oder vielleicht werde das nächste Mal ich dir weh tun. Niemand kann etwas versprechen. Wir können beide nichts versprechen. Aber ich liebe dich noch.«
    Ich nahm sie in die Arme und strich ihr über das Haar.
    »Yukiko«, sagte ich, »laß uns morgen neu anfangen. Heute ist es zu spät dafür. Ich möchte auf die richtige Weise neu anfangen, mit einem ganz neuen Tag.«
    Yukiko sah mich eine Zeitlang an. »Ich glaube, du hast mich immer noch nichts gefragt.«
    »Ich möchte morgen ein neues Leben anfangen. Was hältst du davon?« fragte ich.
    »Ich halte das für eine gute Idee«, sagte sie mit einem leichten Lächeln. Nachdem Yukiko ins Schlafzimmer zurückgegangen war, lag ich auf dem Sofa noch eine Weile wach und starrte an die Decke. Es war eine ganz gewöhnliche Zimmerdecke, überhaupt nichts Besonderes; dennoch betrachtete ich sie aufmerksam. Ab und zu wurde sie von den Scheinwerfern eines vorbeifahrenden Autos gestreift. Ich hatte keine Sinnestäuschungen mehr. Die Glätte und Konsistenz von Shimamotos Brüsten, ihre Stimme, der Duft ihrer Haut - alles war verschwunden. Izumis ausdrucksloses Gesicht ging mir durch den Sinn. Und wie sich das Taxifenster, das uns trennte, angefühlt hatte. Ich schloß die Augen und dachte an Yukiko. Immer wieder dachte ich über das nach, was sie gesagt hatte. Mit geschlossenen Augen horchte ich auf die Vorgänge in meinem Körper. Es konnte durchaus sein, daß ich mich gerade veränderte. Und ich mußte mich ändern.
    Ich weiß nicht, ob ich die Kraft habe, für Yukiko und die Kinder zu sorgen, dachte ich. Keine Visionen mehr, die mir mit eigens für mich zusammengesponnenen Träumen helfen könnten. Leere, so weit das Auge reicht, und nichts als Leere. Ich habe mich auch schon früher in dieser Leere befunden und mich gezwungen, mich ihr anzupassen. Und nun ende ich schließlich genau dort, wo ich angefangen habe, und ich sollte zusehen, daß ich mich daran gewöhne. Niemand wird Träume für mich weben - jetzt ist es an mir, Träume für andere zu erfinden. Das ist nun meine Aufgabe. Mag sein, daß diese Träume keine Macht besitzen, aber wenn mein Leben irgendeinen Sinn haben soll, muß ich es dennoch tun.
    Wahrscheinlich.
    Als der Morgen graute, gab ich die Versuche, einzuschlafen, auf. Ich warf mir eine Wolljacke über den Pyjama, schlurfte in die Küche und machte mir Kaffee. Dann setzte ich mich an den Küchentisch und sah zu, wie der Himmel von Minute zu Minute heller wurde. Es war lange her, daß ich die Sonne hatte aufgehen sehen. Am einen Ende des Himmels erschien eine blaue Linie, und wie blaue Tinte auf einem Löschblatt breitete sie sich langsam über den Horizont aus. Wenn man alle Blautöne der Welt zusammentrüge, um das blaueste Blau, den Inbegriff von Blau zu finden, wäre dies die Farbe, die man wählen würde. Ich stützte die Ellenbogen auf den Tisch und betrachtete das Schauspiel ohne weitere Gedanken. Als die Sonne sich am Horizont zeigte, wurde dieses Blau von gewöhnlichem Sonnenlicht aufgesogen. Eine einzelne Wolke schwebte über dem Friedhof, eine reine, weiße, gestochen klare Wolke, so scharf umrissen, daß man darauf hätte schreiben können. Ein neuer Tag hatte begonnen; aber ich hatte keine Vorstellung von dem, was er bringen würde.
    Ich würde meine Töchter in den Kindergarten fahren und dann schwimmen gehen, wie jeden Tag. Ich erinnerte mich an das Hallenbad, in dem ich in den Jahren der Mittelschule immer schwimmen gegangen war; an den Geruch dort, an die hallenden Stimmen. Damals war ich im Begriff gewesen, mich zu verwandeln. Wenn ich vor dem Spiegel stand, nahm ich die Veränderungen an meinem Körper wahr. Nachts, wenn es ganz still war, glaubte ich, ihn wachsen zu hören; ich hätte darauf geschworen. Ich war dabei, eine neue Hülle zu empfangen und einen Ort zu betreten, an dem ich noch nie gewesen war.
    Von

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