Gefährliche Glut
der Altersunterschied überdeutlich erkennbar war. Der Prinz saß im Rollstuhl, hinter dem ein leicht gequält dreinblickender Mann mittleren Alters stand, wahrscheinlich der Pfleger oder Diener, wie Julie vermutete. Als Roccos Vater sie sah, huschte ein arrogantes Zucken um seine Mundwinkel. Seine Augen glitzerten kalt wie Eiszapfen.
Julie sah sofort, dass Rocco seinen Vater sehr zutreffend beschrieben hatte. Als ihr die drei kleinen Jungen in den Sinn kamen, die diesem harten Mann nach dem Tod ihrer Mutter auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen waren, ging ihr vor Mitleid das Herz über.
„Na! Da sind Sie ja endlich.“ Er maß Julie von Kopf bis Fuß mit einem herrischen Blick. „Warum Sie meinen Sohn geheiratet haben, brauche ich ja wohl nicht lange zu fragen. Der Grund liegt auf der Hand.“
Rocco war sofort losgefahren, nachdem Maria ihn telefonisch von der Ankunft des Prinzen informiert hatte, und gerade rechtzeitig in der Villa eingetroffen. Sein Vater hatte Julie soeben begrüßt – sofern man seine feindseligen Worte als Begrüßung bezeichnen wollte – ohne etwas von seiner, Roccos, Anwesenheit zu ahnen. Die Abneigung des Prinzen Julie gegenüber war fast greifbar.
„Eigentlich gibt es zwei Gründe“, widersprach Julie stolz und entschieden. „Der eine Grund ist der, dass ich meinen Neffen liebe, und der andere ist, dass ich Rocco liebe.“
Rocco war so perplex von diesem Geständnis, dass er beschloss, sich vorerst nicht zu zeigen.
„Ach ja? Sie lieben meinen Sohn?“ Roccos Vater schnaubte verächtlich. „Nun, das wundert mich nicht. Immerhin ist er ein reicher Mann.“
„Ich liebe Rocco nicht wegen seines Reichtums, sondern um seiner selbst willen. Wäre er arm, würde ich ihn genauso lieben. Offen gestanden wäre es mir sogar lieber, wenn er arm wäre“, beteuerte Julie leidenschaftlich.
Roccos Vater bedachte sie erneut mit einem kalten Blick.
„Wie töricht Sie sind! Wahrscheinlich bilden Sie sich auch noch ein, dass Rocco Ihre Gefühle erwidert, richtig? Das ist typisch für Frauen wie Sie.“
Rocco hatte genug gehört. Er würde nicht zulassen, dass sein Vater seine Frau verhöhnte. Er wollte eben aus seiner Deckung kommen, als er von Julies emotionsgeladener Stimme noch einmal aufgehalten wurde.
„Nein, das glaube ich nicht“, widersprach Julie. „Ich weiß, dass Rocco mich nur aus Verantwortungsbewusstsein und … und einer Art Ritterlichkeit geheiratet hat. Weil er verhindern will, dass man mir Josh wegnimmt. Damit mein Neffe nicht so leiden muss, wie er selbst als Kind gelitten hat.“
Julie wusste, dass es grausam war, so etwas zu sagen, aber war denn dieser Mann zu seinen drei Söhnen aus erster Ehe nicht ebenfalls grausam gewesen? Indem er ihnen die Liebe vorenthalten hatte, die doch jedes Kind zum Aufwachsen brauchte? Und musste sie nicht aus Liebe zu Rocco für ihn Partei ergreifen?
„Ich liebe Rocco nicht, weil er reich ist und eine einflussreiche gesellschaftliche Position bekleidet, sondern weil er etwas hat, das man mit Geld nicht kaufen kann.“
„Und was soll das sein?“
„Rocco hat nicht nur seinen Stolz – den er von seinen Vorfahren geerbt hat, – sondern er hat auch ein sehr großes Herz. Er ist ein kluger, mitfühlender Mensch, und vor allem weiß er, was Liebe ist, obwohl er als Kind diese Liebe nie selbst erfahren hat. Doch statt sich in seinem Unglück zu suhlen, ist er so weit über sich hinausgewachsen, dass er sich sogar bereiterklärt hat, die Verantwortung für ein elternloses Kind zu übernehmen.“
Sie holte Luft, bevor sie fortfuhr: „Sie mögen zwar ein Prinz sein, aber Rocco können Sie trotzdem nicht das Wasser reichen. Rocco ist ein guter charakterstarker Mensch, das zählt viel mehr als ein Titel. Er ist jemand, zu dem andere immer aufschauen werden, und das eben nicht wegen seiner gesellschaftlichen Stellung, sondern weil er so ist, wie er ist. Rocco ist ein Mann, der einen Vater verdient hätte, der ihn aufrichtig liebt und zu schätzen weiß. Dafür liebe ich ihn, und weil ich ihn liebe, würde ich ihm nie die Last meiner Liebe aufbürden. Er hat auch so schon schwer genug zu tragen. Sie irren sich ganz gewaltig, wenn Sie glauben, dass man Rocco nur seines Geldes wegen lieben kann. Ich jedenfalls wäre stolz, wenn ich ihm barfuß und in Lumpen bis ans andere Ende der Welt folgen dürfte.“
Nachdem sie Roccos Vater ihre Worte ins Gesicht geschleudert hatte, fuhr sie auf dem Absatz herum, unfähig, die Gesellschaft
Weitere Kostenlose Bücher