Gefaehrliche Kaninchen
gebliebenen Pizzastücke ein und deponiert sie auf ein Backblech im Ofen.
»Mein Vater, also mein geschiedener Vater«, Tristan räuspert sich, »der war nicht so. Der wollte uns schon sehen. Also, am Anfang. Aber dann ist er weggezogen, bis nach München und er hat nicht so viel Zeit …« Er verstummt.
Lars klappt die Ofentür zu. »Klar, Mann. Ist doch logisch.«
»Was soll’s«, sagt Lukas. »Du hast doch jetzt Klaus. Und der ist schwer in Ordnung.«
Tristan sieht immer noch unglücklich aus.
»München ist echt weit weg«, sagt Georg, der auf dem Mülleimer den schiefen Turm von Pizzakarton baut. »Und dein Vater, also der andere, der ist ja auch Anwalt, da hat man eben viel zu tun und …«
»Ach Quatsch«, unterbricht Tristan ihn und lächelt ein schiefes Lächeln, während seine Augen verdächtig feucht werden. »Er ist einfach ein Arsch.«
Lars, Lukas, Georg und Max sehen ihn an. Und müssen plötzlich grinsen, inklusive Tristan.
»Echt ein Arsch«, grinst Lars.
»Oh Mann, und was für einer«, gnickert Lukas.
»Ein Superarsch«, kichert Georg und Max nickt, obwohl er eigentlich gar nicht genau weiß, worüber alle reden, und Tristans echten Vater ja auch gar nicht kennt. Dann brechen die Jungs in Gelächter aus, lachen wie verrückt und machen schließlich noch die restlichen Pizzastücke warm.
Leonie hat Wort gehalten. Sie hat es geschafft, Max’ Mutter für ihren Vater zu tauschen: Max’ Vater holt sie ab.
Max’ Mutter stellt sich vor. »Hallo. Ich bin Luise.« Sie versucht, ganz locker zu sein, lässt sich von Lars, Lukas, Tristan und Georg aber die Hand geben. Sie strubbelt Max durch’s Haar, der es sich sofort wieder glatt streicht. »Muss doch mal sehen, wie es euch so geht«, sagt sie betont fröhlich.
»Wollen Sie Pizza? Ist noch warm«, zeigt Georg auf den Ofen.
»Oh, Pizza, toll.« Sein Vater klingt genauso übertrieben begeistert wie seine Mutter, findet Max.
Dann essen Max’ Eltern die lauwarmen, angenagten Pizzareste und schauen sich unsicher an, während sie von den Leoniebrüdern beobachtet werden.
»Äh, hattet ihr nicht Zimmerarrest?«, fragt Max’ Vater Tristan und Georg. Er wäre wahrscheinlich froh, wenigstens vier der Augen loszuwerden, die da auf ihn gerichtet sind.
»Aber Peter«, sagt Max’ Mutter. »Das ist doch wohl Sache ihrer Eltern.« Sie lacht ein wenig zu laut und sieht sich um. »Schön habt ihr es hier.«
Die vier Brüder nicken.
»Ein bisschen eng vielleicht.«
Die vier Brüder nicken wieder.
»Der Architekt ist ein betrügerischer Mistkerl, der ihnen das falsche Haus angedreht hat«, erklärt Max seiner Mutter. »Allerdings hat ihm Leonies Mutter vorher zwei oder drei Kinder unterschlagen. Der Architekt wohnt auch hier, in dem Haus mit dem Turm. Und jetzt hat er die Siedlung aufgehetzt.«
»Aha«, macht Max’ Mutter irritiert.
Die vier Brüder nicken düster.
»Das ist aber nicht nett von ihm.« Max’ Mutter verzichtet auf den letzten Rest Pizza. Sie hält ihre Hände hoch, sieht sich um und wischt sie dann an ihrer Hose ab. »Und ihr? Habt ihr schon gegessen? Ja? Und wollt ihr nicht irgendwas tun, ich weiß nicht, spielen vielleicht? Fernsehen gucken? Das müsst ihr doch ausnutzen, dass eure Eltern nicht da sind.« Sie klingt wieder übertrieben begeistert. »Wir räumen inzwischen die Küche auf.«
Um zu verhindern, dass das »wir« auch ihn mit einschließt, folgt Max Tristan und Georg vor den Fernseher, während die Zwillinge in ihrem Zimmer verschwinden. Ganz aus den Augen lassen will er seine Eltern dann auch nicht.
Sein Vater und seine Mutter räumen tatsächlich auf. Und sie tun es gründlich, denn obwohl es einen Geschirrspüler gibt, waschen sie die Teller und Gläser der letzten zwei Tage mit der Hand ab. Da die Küche gleich hinter dem Esstisch beginnt und keine eigene Tür hat, kann man sie gut dabei beobachten. Max’ Vater wäscht, seine Mutter trocknet. Sie reden leise und eindringlich miteinander, niemand schreit. Das ist ein gutes Zeichen, oder? Wenn geschieden wird, wird vorher geschrien: Das haben sowohl Tristan als auch Tobias gesagt.
Einmal kann Max sogar sehen, wie seine Mutter spielerisch mit dem Geschirrtuch nach seinem Vater schlägt und sein Vater lacht. Eine Welle der Erleichterung durchströmt ihn. Nein, nach Scheidung sieht das wirklich nicht aus.
»Du bist vielleicht pervers«, sagt Georg und stößt ihn von der Seite an.
»Was?« Max blinzelt.
»Na, da holen sie gerade die Wasserleiche aus dem Kanal
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