Gefaehrliche Kaninchen
Einzige, was er augenblicklich will, ist ein Käsebrötchen, und das macht ihn dann wohl zu einem schlechten Wissenschaftler. Aber wer weiß, vielleicht kann er noch Rechtswissenschaftler werden, schließlich mögen die auch keine Hummer. »Ich werde Rechtswissenschaftler, wie Papa«, sagt er, obwohl er keine Ahnung hat, was Rechtswissenschaftler genau machen. Er stellt sich immer eine Art Anwalt vor.
Seine Mutter verzieht das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Na dann, viel Spaß«, sagt sie und schnappt sich wieder ihr Buch. »Noch ein Langweiler mehr in der Familie.«
Das Letzte hat sie gemurmelt, aber Max hat es gehört. Der Appetit auf Käsebrötchen ist ihm vergangen. »Kann ich rausgehen?«, fragt er.
Seine Mutter macht »mmmh«. Sie ist schon wieder in ihrem Buch verschwunden, auf der Suche nach dem Unbekannten.
Max schielt, zieht sich die Augenlider runter und streckt ganz schräg die Zunge raus. Aber sie beachtet ihn nicht, obwohl er ganz fremd und unbekannt aussieht. Er ist und bleibt eben immer noch Max.
Max hat ein neues Geheimnis. Eines, das niemand kennt, nicht einmal sein bester Freund Paul, der normalerweise in der Schule neben ihm sitzt. Paul ist nämlich gerade mit seinen Eltern in Südfrankreich, weil Ferien sind. Max hat eine Höhle gefunden.
Die Höhle ist unten am Fluss, der eigentlich kein Fluss ist, sondern ein Bach, aber Fluss klingt besser. Sein Vater sagt, man muss die Dinge immer beim Namen nennen und darf nicht übertreiben - aber Bach klingt öde. Wer will schon eine Höhle an einem Bach? Nein, Max’ Höhle liegt an einem reißenden Fluss mitten im Dschungel, mit vielen Tieren.
Auf dem Weg zu seinem neuen Versteck überlegt Max, was für Tiere das sein könnten. Vielleicht sogar Tiger. Seine Mutter weiß sicher Bescheid über Tiger und könnte ihm alles darüber erzählen. Aber dann würde sein Vater sagen, sie solle nicht übertreiben, weil es hier keine Tiger gäbe, und alles wäre kaputt. Nein, er muss schon alleine seinen Forscherdrang entwickeln und Tiere finden. Aber nicht so etwas Großes wie einen Tiger. Vielleicht fängt er erst einmal klein an, beispielsweise mit einem Kaninchen.
Kaninchen können gefährlich sein.
Max überlegt, inwiefern Kaninchen gefährlich sein können, aber ihm will nichts einfallen. Man kann über sie stolpern, na toll, was für ein erbärmlicher Forscher er ist. Das Einzige, was er findet, sind ein paar dumme Kaninchen, die nichts können, aber auch gar nichts.
»Ihr seid nicht spannend«, ruft er den Kaninchen im Gebüsch zu, die vielleicht da sind, vielleicht aber auch nicht. »Ihr seid aber auch so gar nicht spannend. Es ist völlig egal, ob es euch gibt.«
»Warum sagst du das?«, antwortet eine Stimme und Max macht vor Schreck einen Sprung rückwärts. Sein Herz hämmert von innen gegen seine Brust.
»Warum sagst du das?«, wiederholt das Mädchen, das auf dem schmalen Pfad vor ihm steht.
»Nur so«, sagt Max. Er wusste, dass das kein Kaninchen war, das geantwortet hat. Klar wusste er das. Es ist nur dieses Mädchen, das er noch nie zuvor gesehen hat und das jetzt den Weg zur Höhle versperrt.
»Wer ist nicht spannend?«, will das Mädchen wissen.
»Das geht dich nichts an«, erwidert Max.
»Klar tut es das«, sagt das Mädchen. »Du bist schließlich auf meinem Grundstück.«
Das verschlägt Max erst einmal die Sprache. Er betrachtet sein Gegenüber genauer und sieht ein Mädchen ungefähr in seinem Alter mit blauen Turnschuhen und kurzen Hosen, einem T-Shirt, auf dem irgendwas auf Englisch steht, mit Pferdeschwanz und einer Spange im rötlichen Haar, die glitzert. Sie hat Sommersprossen und braune Augen.
»Das ist mein Grundstück«, wiederholt das Mädchen mit den Sommersprossen und zeigt hinter sich. »Da unten am Fluss steht nämlich meine Burg.«
Max weiß erst nicht, was er sagen soll. »Das ist kein Fluss, das ist nur ein Bach«, sagt er schließlich. Und falls sie ihm nicht glaubt, fügt er hinzu: »Meine Mutter weiß so etwas. Sie ist Biologin. Das ist ihr Beruf.«
Das Mädchen scheint beeindruckt. »Meine Mutter hatte auch einen Beruf, aber jetzt nicht mehr.« Sie zuckt mit den Schultern. »Sie passt jetzt nur noch auf uns auf und kocht und so.«
Max findet Kochen gar keinen üblen Beruf für eine Mutter. »Was kocht sie denn?«, will er wissen.
»Was sie kocht?« Das Mädchen sieht ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Irgendwas. Suppe oder so. Oder einen Braten. Manchmal
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