Gefaehrliche Liebe
sehe, dass die Krallen nicht mehr da sind. Der Nebel hat aufgehört, sich vorwärtszubewegen. Wie andere Schrecken, die ich in der Arena gesehen habe, hat er die Grenze seines Gebiets erreicht. Entweder das - oder die Spielmacher haben beschlossen, uns jetzt noch nicht zu töten.
»Es hat aufgehört«, will ich sagen, doch aus meinem geschwollenen Mund kommt nur ein fürchterliches Krächzen. »Es hat aufgehört«, sage ich wieder, offenbar deutlicher, denn Peeta und Finnick schauen beide zum Nebel, der sich jetzt langsam hebt, als würde er von einem riesigen Staubsauger in den Himmel gesaugt. Wir schauen zu, bis alles weg ist, selbst der letzte Fetzen.
Peeta lässt sich von Finnick herunterrollen und der dreht sich auf den Rücken. Keuchend und zuckend liegen wir da, Geist und Körper vom Gift durchdrungen. Nach ein paar Minuten zeigt Peeta undeutlich nach oben. »A-hen.« Ich schaue nach oben und sehe zwei Tiere, vermutlich Affen. Ich habe noch nie einen lebendigen Affen gesehen - in unserem Wald zu Hause gibt es nichts dergleichen. Aber irgendwo muss ich schon mal einen Affen auf einem Bild gesehen haben oder vielleicht in einer früheren Ausgabe der Spiele, denn beim Anblick der Tiere kommt mir dasselbe Wort in den Sinn. Es ist schwer zu erkennen, aber ich glaube, diese hier haben orangefarbenes Fell und sind etwa halb so groß wie ein ausgewachsener Mensch. Ich nehme die Affen als gutes Zeichen. Bestimmt würden sie hier nicht herumspringen, wenn die Luft vergiftet wäre. Eine Weile beobachten wir einander stumm, Menschen und Affen. Dann rappelt Peeta sich auf die Knie und kriecht den Hügel hinunter. Wir kriechen alle, denn Gehen ist für uns so unmöglich wie Fliegen; wir kriechen, bis das Gestrüpp zu einem schmalen Streifen Sandstrand wird und das warme Wasser rings um das Füllhorn uns das Gesicht benetzt. Ich zucke zurück, als hätte ich eine offene Flamme berührt.
Salz in die Wunde streuen.
Zum ersten Mal verstehe ich diese Redewendung voll und ganz, denn das Salzwasser in den Wunden tut so weh, dass ich fast ohnmächtig werde. Aber ich spüre noch etwas anderes - als würde etwas herausgezogen. Ich probiere es aus, indem ich erst nur eine Hand behutsam ins Wasser halte. Es ist qualvoll, ja, aber dann schon weniger. Durch die blaue Wasserschicht sehe ich, wie eine milchige Substanz aus den Wunden tritt. Und in dem Maß, in dem das Weiß schwächer wird, lässt auch der Schmerz nach. Ich schnalle den Gurt ab und ziehe den Overall aus, der kaum mehr ist als ein durchlöcherter Stofffetzen. Meine Schuhe und die Unterwäsche sind erstaunlicherweise unversehrt. Nach und nach, Stück für Stück und einen Körperteil nach dem anderen, wasche ich das Gift aus meinem Körper. Peeta scheint das Gleiche zu tun. Finnick dagegen ist bei der ersten Berührung mit dem Wasser zurück gezuckt und liegt jetzt mit dem Gesicht nach unten im Sand, unwillig oder unfähig, sich zu säubern.
Als ich das Schlimmste überstanden habe, die Augen unter Wasser geöffnet, Wasser in die Nebenhöhlen gezogen und ausgeschnäuzt und sogar mehrmals gegurgelt habe, um meine Kehle auszuwaschen, funktioniere ich so weit, dass ich Finnick helfen kann. Im Bein habe ich jetzt wieder ein bisschen Gefühl, aber meine Arme werden immer noch von Zuckungen geplagt. Ich kann Finnick nicht ins Wasser ziehen, vielleicht würde der Schmerz ihn sowieso umbringen. Also schöpfe ich mit zittrigen Händen Wasser und schütte es auf seine Fäuste. Da er nicht unter Wasser ist, tritt das Gift aus seiner Haut, wie es auch hineingekommen ist, in Nebelschwaden, vor denen ich mich sehr in Acht nehme. Peeta hat sich jetzt so weit erholt, dass er mir helfen kann. Er schneidet Finnick aus dem Overall heraus. Irgendwo findet er zwei Muscheln, mit denen man viel besser Wasser schöpfen kann als mit den Händen. Als Erstes nehmen wir uns Finnicks Arme vor, weil sie so schwer mitgenommen sind, und obwohl eine Menge weißes Zeug herauskommt, merkt er nichts. Er liegt einfach nur mit geschlossenen Augen da und stöhnt hin und wieder.
Ich schaue mich um, und mir wird zunehmend bewusst, in welch gefährlicher Lage wir uns befinden. Es ist zwar Nacht, doch der Mond spendet so viel Licht, dass wir leicht entdeckt werden können. Es ist reines Glück, dass uns noch niemand angegriffen hat. Wenn sie vom Füllhorn kämen, könnten wir sie zwar kommen sehen, aber alle vier Karrieros auf einmal würden uns leicht überwältigen. Und selbst wenn sie uns nicht direkt sehen,
Weitere Kostenlose Bücher