Gefaehrliche Liebe
ist er vielleicht sogar glücklich. Dann weiß er, dass er seine Mission, mir das Leben zu retten, erfüllt hat.
Ich glaube, ich hasse ihn noch mehr als Haymitch.
Ich gebe auf. Sage nichts mehr, antworte nicht mehr, verweigere Nahrung und Wasser. Sollen sie mir doch in den Arm pumpen, was sie wollen, es braucht mehr als das, um einen Menschen am Leben zu erhalten, wenn er erst einmal den Lebenswillen verloren hat. Mir kommt sogar ein lustiger Gedanke. Denn falls ich sterben sollte, darf Peeta vielleicht weiterleben. Nicht als freier Mensch, aber als Avox oder so, der die zukünftigen Tribute aus Distrikt 12 bedient. Vielleicht findet er dann eines Tages eine Möglichkeit zu fliehen. Mein Tod könnte ihn noch immer retten.
Und wenn nicht, ist es auch egal. Es gibt genug Gründe zu sterben. Um Haymitch zu bestrafen, der von allen Menschen in dieser verfaulenden Welt Peeta und mich zu Figuren in seinen Spielchen auserkoren hat. Ich habe ihm vertraut. Ich habe alles, was wertvoll war, in Haymitchs Hände gelegt. Und er hat mich verraten.
Jetzt weißt du, warum keiner dich mit der Planung betraut,
hat er gesagt.
Das stimmt. Niemand, der bei Verstand ist, würde mich mit der Planung betrauen. Denn offensichtlich kann ich Freund und Feind nicht unterscheiden.
Viele Leute kommen vorbei und wollen mit mir reden, aber ich lasse ihre Worte einfach so klingen wie das Klicken der Insekten im Dschungel. Bedeutungslos und fern. Gefährlich, aber nur von Nahem. Immer, wenn die Wörter verständlich werden, stöhne ich, bis sie mir noch mehr Schmerzmittel geben und alles wieder in Ordnung kommt.
Bis ich auf einmal die Augen öffne und jemand zu mir herunterschaut, den ich nicht ausblenden kann. Jemand, der nicht drängt oder erklärt oder denkt, er könnte mich durch Beschwörungen von meinem Vorhaben abbringen, weil nur er allein wirklich weiß, worauf ich anspreche.
»Gale«, flüstere ich.
»Hallo, Kätzchen.« Er streckt die Hand aus und streicht mir eine Haarsträhne aus den Augen. Auf einer Seite des Gesichts hat er eine frische Brandnarbe. Sein Arm steckt in einer Schlinge und unter dem Bergarbeiterhemd erkenne ich einen Verband. Was ist ihm zugestoßen? Wie kommt er überhaupt hierher? Zu Hause müssen schlimme Dinge passiert sein.
Das größte Problem ist nicht, Peeta zu vergessen, sondern mich nicht an die anderen zu erinnern. Ich brauche Gale nur einmal anzuschauen und sie kommen alle herauf in die Gegenwart und fordern Beachtung. »Prim?«, stoße ich hervor.
»Sie lebt. Deine Mutter auch. Ich habe sie rechtzeitig rausgeschafft«, sagt er.
»Sie sind nicht in Distrikt 12?«, frage ich.
»Nach den Spielen haben sie Flugzeuge geschickt. Brandbomben abgeworfen.« Er zögert. »Na, du weißt ja, was mit dem Hob passiert ist.«
Ja, das weiß ich. Ich habe gesehen, wie er in Flammen aufging. Das alte Lagerhaus voller Kohlenstaub. Der ganze Distrikt ist mit dem Zeug bedeckt. Ein neues Grauen steigt in mir auf, als ich mir vorstelle, wie die Brandbomben den Saum treffen.
»Sie sind nicht mehr in Distrikt 12?«, frage ich noch einmal. Als könnte ich die Wahrheit damit irgendwie abwenden.
»Katniss«, sagt Gale sanft.
Ich kenne diese Stimme. Mit dieser Stimme geht er auf verletzte Tiere zu, bevor er ihnen den Todesstoß versetzt. Instinktiv hebe ich die Hand, um seine Worte abzuwehren, doch er packt sie und hält sie fest.
»Nein«, flüstere ich.
Aber Gale ist keiner, der etwas vor mir geheim halten würde. »Katniss, es gibt keinen Distrikt 12 mehr.«
ENDE DES ZWEITEN BUCHS
Impressum
Die Tribute von Panem.
Gefährliche Liebe
von Suzanne Collins (Autor),
Sylke Hachmeister (Übersetzer),
Peter Klöss (Übersetzer)
Preis: EUR 17,95
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Verlag: Verlag Friedrich Oetinger (19. Mai 2010)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3789132195
ISBN-13: 978-3789132193
Originaltitel: The Hunger Games 2. Catching Fire
ebook Erstellung - Mai 2010 - TUX
Ende
Weitere Kostenlose Bücher