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Gefaehrliche Liebe

Gefaehrliche Liebe

Titel: Gefaehrliche Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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unter den Zuschauern sind? Wie kam es dazu, dass Rue auf der Bühne landete, niemand bei ihr, der ihren Platz hätte einnehmen können, nur der Wind?
    Die Weite ermüdet mich allmählich, die Endlosigkeit der Landschaft. Als Effie kommt und sagt, wir sollen uns umziehen, protestiere ich nicht. Ich begebe mich in mein Abteil und lasse mich vom Vorbereitungsteam frisieren und schminken. Cinna kommt mit einem hübschen Kleid herein, orange mit einem Herbstblattmuster. Die Farbe wird Peeta gefallen.
    Effie ruft Peeta und mich zu sich und erklärt uns noch ein letztes Mal den Tagesablauf. In manchen Distrikten fahren die Sieger durch die Stadt, während die Bewohner ihnen zujubeln. Doch in Distrikt 11 ist unser Auftritt auf den Hauptplatz beschränkt - vielleicht, weil es keine nennenswerte Stadt gibt, nur einzelne Siedlungen, oder vielleicht, weil sie während der Erntezeit nicht so viele Leute erübrigen wollen. Der Auftritt findet vor dem Justizgebäude statt, einem riesigen Marmorbau. Er muss einmal sehr prächtig gewesen sein, aber die Spuren der Zeit sind unübersehbar. Selbst im Fernsehen kann man erkennen, dass die bröckelnde Fassade von Efeu überwuchert und das Dach eingesunken ist. Der Platz selbst ist von heruntergekommenen Läden gesäumt, die meisten Geschäfte sind aufgegeben. Wo auch immer die Gutsituierten in Distrikt 11 leben, hier jedenfalls nicht.
    Unsere Vorstellung wird auf dem Ding stattfinden, das Effie als Veranda bezeichnet, einer gefliesten Fläche zwischen dem Eingang und der Treppe, beschattet von einem Säulendach. Erst sollen Peeta und ich vorgestellt werden, dann wird der Bürgermeister von Distrikt 11 uns zu Ehren eine Rede verlesen, und wir antworten mit einem Dank, der vom Kapitol schon vorgefertigt wurde. Hatte ein Sieger Verbündete unter den toten Tributen, wird es als guter Stil betrachtet, ein paar persönliche Worte hinzuzufügen. Ich müsste eigentlich etwas über Rue sagen und auch über Thresh, doch jedes Mal, wenn ich zu Hause versucht habe, etwas zu schreiben, starrte mich ein leeres Blatt Papier an. Es fällt mir schwer, über sie zu sprechen, ohne die Fassung zu verlieren. Zum Glück hat Peeta einen kurzen Text vorbereitet, der mit ein paar kleinen Änderungen für uns beide gelten kann. Am Ende der Feierlichkeiten bekommen wir irgendeine Tafel überreicht, und dann können wir uns ins Justizgebäude begeben, wo ein Festessen gegeben wird.
    Während der Zug in den Bahnhof von Distrikt 11 einfährt, ändert Cinna ein paar letzte Feinheiten an meinem Outfit. Er tauscht das orangefarbene Haarband gegen eines in Goldmetallic und steckt mir die Spotttölpelbrosche, die ich in der Arena getragen habe, ans Kleid. Auf dem Bahnsteig steht kein Empfangskomitee, nur eine Gruppe von acht Friedenswächtern, die uns in den hinteren Teil eines gepanzerten Wagens führen. Effie rümpft die Nase, als die Tür hinter uns zuknallt. »Also wirklich, als ob wir alle Verbrecher wären«, sagt sie.
    Nicht wir alle, Effie,
denke ich.
Nur ich.
    Auf der Rückseite des Justizgebäudes werden wir aus dem Wagen gelassen, und dann sollen wir schnell hineingehen. Ich rieche, dass ein köstliches Mahl bereitet wird, aber das kann die Gerüche von Muff und Fäulnis nicht ausblenden. Sie haben uns keine Zeit gelassen, uns umzuschauen. Während wir auf dem kürzesten Weg zum Eingang gehen, höre ich, wie draußen auf dem Platz die Nationalhymne angestimmt wird. Jemand klemmt mir ein Mikrofon an. Peeta nimmt meine linke Hand. Der Bürgermeister stellt uns vor, während die gewaltige Tür ächzend aufgeht.
    »Strahlendes Lächeln!«, sagt Effie und stößt uns an. Wir bewegen die Füße vorwärts.
    Jetzt. Jetzt muss ich alle überzeugen, wie verliebt ich in Peeta bin,
denke ich. Die feierliche Zeremonie ist ziemlich straff geplant, und ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll. Es ist nicht die passende Situation für einen Kuss, doch vielleicht kann ich einen unterbringen.
    Es gibt lauten Applaus, aber keine Jubelrufe, Jauchzer und Pfiffe wie im Kapitol. Wir gehen über die schattige Veranda, bis das Dach zu Ende ist und wir auf einer breiten Marmortreppe in der grellen Sonne stehen. Als meine Augen sich an das Licht gewöhnt haben, sehe ich, dass die Häuser mit Flaggen geschmückt sind, die ihren heruntergekommenen Zustand ein wenig kaschieren. Es ist rappelvoll auf dem Platz, aber das ist nur ein Bruchteil der Menschen, die hier leben.
    Wie üblich ist unterhalb der Bühne für die Familien der toten

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