Gefaehrliche Liebe
nicht so ekelhaften Zusätzen. Ich werde gerupft und geschrubbt und massiert und gesalbt, bis ich mir vorkomme wie ein Hühnchen.
Flavius fasst mir mit einer Hand unters Kinn und seufzt. »Es ist ein Jammer, dass Cinna gesagt hat, bei dir darf nichts verändert werden.«
»Ja, wir könnten wirklich etwas Besonderes aus dir machen«, sagt Octavia.
»Wenn sie älter ist«, sagt Venia fast grimmig. »Dann muss er es erlauben.«
Was? Dass sie meine Lippen aufspritzen wie die von Präsident Snow? Mir die Brüste tätowieren? Meine Haut magenta färben und mir Edelsteine einsetzen? Mir Verzierungen ins Gesicht ritzen? Mir gebogene Krallen verpassen? Oder Schnurrhaare? All das und noch viel mehr habe ich bei verschiedenen Leuten im Kapitol gesehen. Wissen sie wirklich nicht, wie abgedreht das auf andere wirkt?
Die Vorstellung, den Geschmacksverirrungen meines Vorbereitungsteams ausgeliefert zu sein, ist nur eine weitere Sorge von vielen, die mich beschäftigen - mein geschundener Körper, Schlafmangel, die drohende Zwangsehe und der Horror, dass ich die Forderungen von Präsident Snow nicht werde erfüllen können. Als ich zum Mittagessen komme, wo Effie, Cinna, Portia, Haymitch und Peeta schon ohne mich angefangen haben, bin ich zu niedergeschlagen, um zu reden. Sie schwärmen vom Essen und davon, wie wunderbar sie im Zug schlafen können. Alle sind ganz aus dem Häuschen über die Tour der Sieger. Na ja, alle bis auf Haymitch. Er hat einen Kater und knabbert an einem Muffin. Ich habe auch keinen großen Hunger, entweder weil ich heute Morgen zu viel schweres Zeug in mich hineingestopft habe oder weil ich so unglücklich bin. Ich rühre in meiner Brühe herum und esse nur ein, zwei Löffel davon. Ich kann Peeta - meinen zukünftigen Mann - nicht einmal ansehen, obwohl ich weiß, dass er keine Schuld an alldem trägt.
Die anderen merken, dass etwas nicht stimmt, und versuchen mich ins Gespräch einzubeziehen, aber ich bin abweisend. Irgendwann hält der Zug. Unser Kellner berichtet uns, dass es diesmal nicht nur wegen Treibstoff ist - irgendein Zugteil ist defekt und muss ausgetauscht werden. Es wird mindestens eine Stunde dauern. Das bringt Effie in Rage. Sie holt ihren Plan heraus und berechnet, wie diese Verzögerung jedes Ereignis bis zum Ende unseres Lebens beeinflussen wird. Schließlich ertrage ich es nicht mehr, mir das anzuhören.
»Das interessiert doch keinen, Effie!«, sage ich schroff. Alle am Tisch starren mich an, sogar Haymitch, der doch auf meiner Seite sein müsste, weil Effie ihm auf die Nerven geht. Sofort fühle ich mich in die Enge getrieben. »Absolut keinen!«, sage ich, stehe auf und verlasse den Speisewagen.
Auf einmal kommt es mir stickig vor im Zug und mir ist regelrecht mulmig. Ich suche den Ausgang, mache die Tür gewaltsam auf - wobei ich irgendeinen Alarm auslöse, den ich ignoriere - und springe hinaus in der Erwartung, im Schnee zu landen. Doch die Luft fühlt sich warm und mild auf der Haut an. Die Bäume haben noch grüne Blätter. Wie weit südlich sind wir an einem Tag gereist? Ich laufe an den Schienen entlang, blinzele ins grelle Sonnenlicht und bereue schon, was ich zu Effie gesagt habe. Sie kann ich kaum dafür verantwortlich machen, dass ich in der Zwickmühle stecke. Eigentlich müsste ich zurückgehen und mich entschuldigen. Mein Ausbruch war der Gipfel an schlechtem Benehmen und gutes Benehmen ist für Effie sehr wichtig. Doch meine Füße gehen weiter am Gleis entlang, am Ende des Zuges vorbei und immer noch weiter. Eine Stunde Verspätung. Ich kann mindestens zwanzig Minuten in eine Richtung gehen und wieder zurück, dann habe ich trotzdem noch reichlich Zeit. Aber nach ein paar Hundert Metern lasse ich mich auf dem Boden nieder, bleibe dort sitzen und schaue in die Ferne. Wenn ich Pfeil und Bogen hätte, würde ich dann einfach weitergehen?
Nach einer Weile höre ich hinter mir Schritte. Bestimmt Haymitch, der mich zusammenstauchen will. Nicht, dass ich es nicht verdient hätte, aber ich will es trotzdem nicht hören. »Ich bin nicht in der Stimmung für eine Lektion«, sage ich warnend zu dem Gras vor meinen Füßen.
»Ich versuche es kurz zu machen.« Peeta setzt sich neben mich.
»Ich dachte, du wärst Haymitch«, sage ich.
»Nein, der kämpft immer noch mit seinem Muffin.« Ich sehe, wie Peeta seine Prothese in die richtige Position bringt. »Schlechter Tag, was?«
»Es ist nichts«, sage ich.
Er holt tief Luft. »Hör mal, Katniss, ich wollte schon länger
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