Gefaehrliche Liebe
er wirklich ernsthaft sauer auf ihn gewesen, dann hätte er ihm gestern seinen Wunsch nicht erfüllt ...«
Das Handy läutete und sofort nahm David das Gespräch entgegen. Meine Gedanken drehten sich panisch im Kreis. Das Haus war voller Leibwächter. Wie konnte man da verschwinden? Vielleicht war es meine Schuld, vielleicht hatte er mich gestern mit Keathan im Bad gehört. Ich machte mir Vorwürfe.
»Es war Marcus, die Evita ist weg ...«, berichtete David. »Ich rufe jetzt beim Hafen an, ob sie dort liegt.«
Und so war es. David schickte den übrigen Jungs eine Message und im Nu hatten sich wieder alle im Wohnzimmer versammelt.
»Santiago ist vermutlich mit der Evita ans Festland gefahren, sie liegt laut Hafenmeisterei dort vor Anker. Sein Handy ist ausgeschaltet. Wir können also nur abwarten, ob er sich meldet ...« David versagte fast die Stimme, aber er versuchte krampfhaft, die Fassung zu bewahren. Ihn so zu sehen, rührte an meinem Herzen.
Keathan kam die Treppe herunter, niemand hatte bemerkt, dass er bis jetzt gefehlt hatte. In seiner Hand hielt er einen Zettel. Alle machten ihm Platz, bis er schließlich vor David stand und die Nachricht vorlas, die er auf Santiagos Schreibtisch gefunden hatte:
»Ich möchte ungestört sein!
Zahira bleibt, wo sie ist!
David, bitte verzeih mir.«
Beim letzten Satz zogen sich seine Augenbrauen zusammen und er rümpfte angewidert die Nase. Dann fetzte er David den Zettel vor die Füße und ging. Langsam wurde es offensichtlich, wie sehr Santiago David bevorzugte. Keathan war gekränkt.
Was sollte wohl »Zahira bleibt, wo sie ist« bedeuten? Wie lange hatte er vor, wegzubleiben, dass er befürchtete, ich könnte ihn in der Zwischenzeit verlassen?
David wandte sich von uns ab und ging zur Fensterfront. Er sah hinaus aufs Meer, fuhr sich mit beiden Händen durch seine schönen Haare und versuchte, die Tränen zu verbergen, die unkontrolliert über seine Wangen liefen. Alle zogen sich in ihre Zimmer zurück, bis auf Liam und Hayle, Davids Geliebte. Hayle hob den Zettel auf und nahm David in seine Arme. Es war ein so schöner Anblick, wie dieser zerbrechliche hellhäutige Jüngling dem reiferen David Trost spendete. Er schloss seine Augen und, ohne dass er auch nur ein einziges Wort gesprochen hatte, konnte man die Liebe spüren, die aus seiner Brust strömte. Liam legte David schützend die Hand auf den Rücken und warf mir einen verstohlenen Blick zu. Ich merkte, dass ich hier nicht mehr erwünscht war, drehte mich lautlos um und ging ebenfalls auf mein Zimmer. Vermutlich wäre jetzt auch ein ungünstiger Zeitpunkt gewesen zu erfragen, was Santiago mit seiner Nachricht für mich gemeint hatte.
***
Die nächsten Tage waren geprägt von allgemein depressiver Stimmung. David traf es am schlimmsten, er verkroch sich in Santiagos Schlafzimmer und ließ sich von seinen Jungs alles Lebenswichtige bringen. Niemand sonst durfte zu ihm. Hayle erzählte mir eines Tages, David hätte sein Handy zertrümmert, nachdem Santiago zum hundertsten Mal nicht erreichbar gewesen war. Auch ich machte mir Sorgen. Welches Bedürfnis könnte Santiago gequält haben, das ihn zu einem solchen Schritt veranlasst hatte. Es musste schon einen wirklich schwerwiegenden Grund geben, denn er wusste, wie sehr David unter diesem plötzlichen Liebesentzug leiden würde ... und vor allem unter dem Mangel an Informationen.
Ich selbst fühlte mich noch viel unwissender als alle anderen. Zum einen war da diese unsinnige Anweisung von Santiago, die mich betraf, die mir jedoch niemand erklären wollte, zum anderen wurde ich in der Zeit, während er nicht da war, in ein eigenartiges Programm gedrängt. Jeden zweiten Tag fuhren Marcus, Edward und ich mit der Sea Star raus zum Korallenriff. Nicht, dass ich es nicht genossen hätte, den ganzen Tag mit Baden, Schnorcheln, Sonnen und Lesen zu verbringen, aber ich hatte unterschwellig ständig das Gefühl, man wollte mich damit von der Insel fernhalten. Scheinbar bevorzugten die anderen Männer, unter sich zu sein. An den Tagen dazwischen war ich der gedrückten Stimmung im Haus ausgesetzt, beim Essen wurde kaum geredet, die Abende waren ruhig und besinnlich.
David schlief weiterhin jede Nacht in Santiagos Zimmer, gemeinsam mit Hayle und Liam. Die beiden durften ausnahmsweise auch das obere Bad benutzen, was mir nicht so viel ausmachte, denn sie waren an mir als Frau absolut desinteressiert und dadurch völlig ungefährlich. Im Erdgeschoss wohnten jetzt nur
Weitere Kostenlose Bücher