Gefaehrliche Maskerade einer Lady
„Das ist kein Leben für dich, mein liebes Kind. Das ist ein lebenslanges Gefängnis.“
Sie hatte recht, und Ayisha wusste es.
Laila legte die Teigfladen auf Backbleche. „Mach die Tür auf, ich will prüfen, ob der Ofen heiß genug ist.“ Sie tauchte einen Kräuterzweig in einen Krug Wasser. Ayisha öffnete den Backofen.
Laila spritzte mit dem dürren Zweig Wasser in das Ofeninnere, wo es zischend verdampfte. „Gut“, sagte sie. „Reich mir die Bleche.“
Ayisha gehorchte, und Laila schob ein Blech nach dem anderen mit einer langstieligen Holzschaufel hinein. Dann klappte sie die Eisentür wieder zu.
Dann machte sie sich daran, Mehl und Teigreste von der Bank zu wischen. „Es wäre der Wunsch deines Vaters für seine einzige lebende Tochter.“
Ayisha verzog das Gesicht. „Mein Vater hat mich mittellos im Stich gelassen.“ Schlimmer noch, er hatte sie zur Zielscheibe bösartiger Männer gemacht.
„Wenn es dir nicht bestimmt wäre, nach England zu gehen, würdest du diese Möglichkeit gar nicht erst bekommen. Und außerdem, Blut ist Blut. Du bist der Mutter deines Vaters verpflichtet.“
„Und wenn sie die Wahrheit erfährt?“
„Unsinn!“, Laila wischte ihre Bedenken unwirsch beiseite. „Woher sollte sie es je erfahren? Sie lebt in England, auf der anderen Seite der Welt.“
„Es gab Leute in Kairo, die mehr wussten. Engländer, die in die Heimat zurückgekehrt sind.“ Leute, die sich nicht für die Not eines kleinen neunjährigen Kindes interessierten und die es einfach seinem Schicksal überlassen hatten.
„Darüber kannst du nachdenken, wenn es so weit ist“, erklärte Laila. „Wer sollte deiner Großmutter noch davon erzählen? Nein, Ayisha, du musst nach England gehen.“
„Aber was wird aus dir und Ali?“
Laila lachte spöttisch. „Du dummes Kind! Hast du etwa vergessen, wer sich um dich gekümmert hat? Bin ich plötzlich eine alte Frau, die nicht für ihre Familie sorgen kann? Mach dir um Ali und mich keine Sorgen. Wir werden schon gut zurechtkommen, du wirst es sehen. Ich glaube, die Fladen sind fertig.“ Sie warf Ayisha einen Lappen zu, um ihre Hände vor der Hitze zu schützen und nahm die Holzschaufel zur Hand.
Ayisha holte einen Stapel flacher geflochtener Schilfkörbe, in denen die Fladen verkauft wurden.
In der nächsten Stunde waren die Frauen mit Backen beschäftigt, anschließend verkauften sie die Fladenbrote durch die hölzerne Luke in der Mauer zur Straße. Der erste Schub am Morgen verkaufte sich in Windeseile. Kaum jemand konnte dem köstlichen Duft des ofenwarmen Gebäcks widerstehen.
Nachdem alle Fladen verkauft und die Hälfte der Einnahmen hinter dem losen Ziegel verstaut war, kochte Laila aus Omars Spezialmischung Kaffee.
Die Frauen setzten sich in den Innenhof, tranken heißen starken Kaffee und teilten sich die letzten warmen Fladen, die Laila stets zurückbehielt. Heute beträufelte sie das Brot mit Honig.
Ayisha trank den Kaffee und leckte sich den Honig von den Fingern. Sie liebte frisches Brot, Honig und Kaffee, doch heute schmeckte der Kaffee nur bitter, das Brot fade und der Honig war einfach nur klebrig.
Laila würde es nie verstehen. Ihre Welt teilte sich nur in reich oder arm, hungrig oder satt, sich um eine Großmutter kümmern oder nicht. Der Rest würde sich schon fügen.
Aber Ayisha hatte in ihrem Leben bittere Täuschung und bösen Verrat kennengelernt, und das viel grausamer als Laila wusste. Es machte ihr nichts aus, Fremde zu betrügen. Bei Menschen, die ihr nahe standen und die sie mochte, fiel ihr das bedeutend schwerer.
Und wenn diese Menschen ihre Zuneigung erwiderten, tat es weh, sie hinters Licht zu führen.
Nur Laila und Ali wussten, dass Ayisha eine Frau war. Omar hingegen wusste von nichts. Auch Ali war zunächst ahnungslos gewesen. Wie alle Kinder hatte er sie so genommen, wie sie war. Als er jedoch von ihrem Schwindel erfuhr, hatte er sich betrogen gefühlt.
In England würde es ihr noch schlimmer ergehen. Es wäre sträflich, ihre Großmutter zu belügen und zuzulassen, dass die alte Dame sie ins Herz schloss. Es war etwas ganz anderes, sich etwas zu essen zu ergaunern, als Liebe zu erschwindeln. Sie wollte bei der alten Dame keine falschen Hoffnungen wecken.
Ayisha hatte immer davon geträumt, nach England zu gehen und dort ein neues Leben zu beginnen, doch sie wollte es nicht um jeden Preis! Eine Lüge würde sie zwar nicht bezwingen, aber stets wie ein Damoklesschwert über ihr schwingen.
Es gab nur eine
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