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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Braun
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den Flur. Die Flipflops sind mindestens eine Nummer zu klein.
    »Die willst du ja wohl nicht im Flugzeug anziehen?«, erkundige ich mich und klinge mäkeliger als gewollt.
    Oliver verdreht die Augen, drückt sich die Ohrstöpsel seines iPods in die Ohren, streift sich die Tragegurte seines Rucksacks über und marschiert als erster zur Tür hinaus, um ins Taxi zu steigen.
    * * *
    Es ist Jahre her, seit wir uns den letzten Familienurlaub gegönnt haben. Manche glauben vielleicht, wenn man mit dem Leiter einer Bank verheiratet ist, gibt es Geld und Schmuck und Reisen in exotische Länder im Überfluss. Aber heutzutage geht es vielen Geldhäusern schlecht und Jonathons ist außerdem nur eine regionale Bank.
Pacific Savings and Trust
. »Die Volksbank« steht auf Werbeplakaten in kleinen Buchstaben unter dem Namen. Ich habe mal einen Witz gemacht, dass das eigentlich ein unterschwelliger Hinweis auf China sei, dem Land, wo das große Geld ist. Jonathon fand den Spruch allerdings nicht besonders lustig.
    Das Interesse meiner Mutter am Aktienmarkt und dessen Zusammenbruch hat Jonathon und mich vor achtzehn Jahren zusammengebracht. Sicherlich bin ich in vieler Hinsicht die Tochter meiner Mutter, aber Investitionen dieser Art liegen mir nicht. Die Welt der Finanzen interessiert mich nicht im Geringsten. Was mir dagegen gefällt, ist die Tatsache, dassJonathon – der niemals das Familienbudget überzieht, der mich jedes Mal, wenn ich mir ein paar neue Schuhe kaufe, gern daran erinnert, dass wir uns in einer Rezession befinden – diesen Last-Minute-Urlaub für uns arrangiert hat, und das hätte zu keinem besseren Zeitpunkt passieren können. Er hat es zwar nicht gesagt, aber ich bin mir sicher, dass es etwas damit zu tun hat, wie überreizt ich in letzter Zeit gewesen bin. Ich hatte versucht, es vor ihm zu verbergen. Ich hatte versucht, es als Müdigkeit abzutun, als Arbeitsüberlastung, als prämenstruelles Syndrom. Einfach versucht, es irgendwie zu erklären und zu hoffen, dass es von allein wieder verschwindet. Aber das tat es nicht. Dann hatte ich mich mit aller Energie ins Fitnesstraining geworfen, aber auch das hatte das Kribbeln unter meiner Haut nur vorübergehend beruhigt. Ich habe es mit Yoga versucht, schließlich mit Meditation, doch in einem dunklen Raum voller verschwitzter Leute kommen offenbar noch mehr Ängste in mir hoch, als wenn ich allein mit einer Tasse Kaffee in meiner Küche sitze und einem öffentlich-rechtlichen Sender und dessen glasklaren Stimmen lausche.
    »Wir brauchen dringend einen Tapetenwechsel, einen Urlaub«, hatte Jonathon erst vor einer Woche beim Abendessen gesagt. »Es sind Frühjahrsferien. Was würdest du von Mexiko halten?« Am meisten frage ich mich, ob diese Reise vielleicht seinen Versuch darstellt, unsere Ehe wieder in Schwung zu bringen, was sie unglaublich nötig hätte. Ich wäre bereit gewesen, noch am selben Abend zu packen, wenn er mich darum gebeten hätte.
    Aber dann war der Tag so schnell gekommen, dass es sich anfühlte, als wären wir direkt von unseren Küchenstühlen in einTaxi ohne Sicherheitsgurte verfrachtet worden, dass nun mit uns durch die überfüllten und schlecht gepflasterten Straßen von Puerto Vallarta rast.
    Überall blinken bunte Lichter. Besonders blenden sie einen an der Pacific Northwest. Ich versuche die Namen der Läden zu entziffern, aber selbst wenn nicht alles so grell und bunt wäre, hätte ich keine Ahnung, was das alles bedeutet. Ich habe im Nebenfach Germanistik studiert, was irgendwie das Gegenteil von Spanisch zu sein scheint – nur düstere Zitate und Märchen, in denen Augen herausgerissen, Bäuche aufgeschlitzt und ein Junge dazu gezwungen wird, mit Scheren anstelle seiner Hände zu leben.
Können Sie sich die Folgen vorstellen?
, hatte mein Professor dann immer gern auf Deutsch gerufen. Das arme Kind hat allen blutende Wunden beigebracht, die ihm zu nahe kamen.
    Das alles scheint mir mindestens hundert Jahre her zu sein.
    Gutierrez Rizo steht auf einem Schild und ich spreche es tonlos aus.
    An der nächsten Ecke steht ein uralt aussehender Mann neben einem Esel, der einen Sonnenhut trägt, und winkt mit seiner Polaroidkamera. Ich will Jonathon darauf hinweisen, doch er tippt auf dem Beifahrersitz irgendwas in sein BlackBerry. Er blickt nicht auf. Nicht ein einziges Mal. Es scheint, als kenne er Puerto Vallarta bereits. Doch das tut er nicht.
    Oliver schmollt hinter seiner Fliegersonnenbrille auf dem Sitz im Fond neben mir. Ich kann

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