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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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natürlich nicht heißt, dass
nicht immer noch Spuren der katholischen Lehre irgendwo in ihrem Hinterkopf
sitzen. In meinem sitzen weiß Gott genug.
    Die Kirche sagt, dass es eine Sünde
ist, außerhalb der Ehe ein Kind zu kriegen. Und dass dieses Kind in Sünde
geboren wird. Vielleicht glaubt sie ja, dass sie die Sünde noch verschlimmert
hat, indem sie mich weggab. Oder... Verdammt, weder Saskias noch Austins
Schweigen sagt mir wirklich etwas. Ich kenne sie beide im Grunde nicht, wie
soll ich da irgendwas verstehen?

Samstag,
16 . September

8
Uhr 23
     
     
    Ich trat aus unserem Motelbungalow in
der Nähe von Sage Rock und blinzelte ins gleißende Sonnenlicht. Vor mir lag
eine weizenfarbene, wacholdergesprenkelte Wiese, die zu einem von Pappeln
gesäumten Bach abfiel. Die goldenen Pappelblätter flackerten wie Kerzenflammen
im leichten Wind, und die fernen Berggipfel ragten schroff in einen klarblauen
Himmel.
    Wir waren am Vorabend so spät
angekommen, dass ich von der Umgebung nichts mehr mitgekriegt hatte. Ein grünes
Neonschild — wilderness lodge, Bungalows
ab 26 Dollar — frei — hatte uns ins erstbeste Motel gelockt. Der
Bungalow hatte seine Vorzüge und Mängel: Naturholz, Flickenteppiche und bequeme
Sessel auf der Plusseite, lauwarmes Wasser, kaputter Fernseher und hartes Bett
auf der Minusseite. Jetzt aber war ich wach und fand mich im Paradies.
    Hy trat heraus, in Jeans und Wollhemd
und mit finsterer Miene. Sein Haar stand in feuchten Stacheln ab. »Der Strom
ist weg«, sagte er. »Ich gehe mal rüber ins Büro und gucke, was los ist.«
    »Schau dir das an.« Ich zeigte auf das
Panorama.
    Er sah kaum hin. »Ich werde mehr Sinn
für die Schönheiten der Landschaft haben, wenn es mir gelungen ist, meine Haare
zu föhnen und diese Kaffeemaschine anzuschmeißen.«
    Morgenmuffel, dachte ich und widmete
mich wieder der Kontemplation der Natur.
    Gleich darauf kam er kopfschüttelnd
zurück. »Sie machen nicht auf. Das Büro ist verrammelt, aber ich habe drinnen
jemanden gehört. Schätze, sie können nichts gegen den Stromausfall tun und
wollen sich nicht mit wütenden Gästen herumschlagen.«
    Ich zuckte die Achseln und ging nach
drinnen, um zu duschen, ohne meine Haare nass zu machen.
     
    »Wohin?«, fragte Hy, als wir in Pete
Silvados ramponierten Pick-up stiegen.
    Ich rutschte vorsichtig über eine
herausstehende Sprungfeder hinweg, mit der ich auf der Herfahrt unangenehme
Bekanntschaft geschlossen hatte. »In den Ort. Genauer gesagt, ins Cattleman’s
Café, frühstücken.«
    »Wieso gerade dort?«
    »Weil laut Micks Background-Check Jimmy
D. Bearpaw der Besitzer dieses Etablissements ist. Wenn er da ist, können wir
vielleicht irgendwie an ihn rankommen.«
    »Was für eine Story willst du ihm
auftischen?«
    »Das werde ich entscheiden, wenn ich
Jimmy D. sehe.«
     
    Sage Rock bestand aus einer von
Geschäften gesäumten Hauptstraße und einem runden Dutzend ungepflasterter
Seitenstraßen, wo Wohnwagen und einfache Fertighäuser auf kleinen Grundstücken
standen. Im Vorbeifahren sah ich neben und hinter den Häusern Mülldepots,
Schrottautos aller Art, rostige Haushaltsgeräte und kaputte Möbelstücke.
Zwischen zwei aufgebockten Vans war ein Zeltdach gespannt; ein Grillbecken und
ein paar Klappstühle sagten mir, dass dort Menschen wohnten. Das Cattleman’s
Café lag am anderen Ende der Geschäftsstraße, flankiert von einem
Lebensmittelladen und einem Friseur. Die Häuser, aus Holz und mit Blechdächern,
wollten dringend neu gestrichen werden. Ehe wir reingingen, blieb ich an einem
Zeitungskasten stehen und erwarb eine Ausgabe des Modoc County Record vom Donnerstag. Das Café war klein — sechs Tische entlang der Fensterfront und
ein Tresen mit Barhockern, von denen man in den Küchenbereich guckte. An den
Wänden hingen, lieblos festgepinnt, schlampig von Hand beschriftete
Pappschilder:
    FRAGEN ÜBERFLÜSSIG: ANSCHREIBEN IST
NICHT.
    ALLES FLEISCH GARANTIERT FRISCH — VOM
STRASSENRAND. WIR BRATEN IHRE BURGER NACH BELIEBEN — MEINEM.
    HIER KEINE POMMES — NICHT JIMMY D.’S
GESCHMACK.
    IRGENDWELCHE BESCHWERDEN? SCHLUCKEN SIE
SIE RUNTER.
    »Wirklich ein gastlicher Ort«, sagte
ich zu Hy, als wir uns ans Ende des Tresens setzten.
    Ein Mann mit einer langen weißen
Schürze stand mit dem Rücken zu uns und war gerade dabei, Spiegeleier in einer
Bratpfanne zu wenden. »Hey, Ed«, rief er über die Schulter, »bist heute ganz
schön spät dran. Wieder mal
    verkatert?«
    »Leck mich, Jimmy D.«, sagte

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